Untersuchung: Gift in Milch schon im März entdeckt

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Bei mehreren Lebensmittelproben aus dem Görtschitztal stellte die Ages schon im Frühjahr Überschreitungen der Grenzwerte fest. Die Öffentlichkeit wurde aber nicht informiert.

Klagenfurt/Wien. Die Verseuchung von Lebensmitteln aus dem Kärntner Görtschitztal ist bereits seit Ende März dieses Jahres bekannt. Die Ages, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, hat in mehreren Lebensmittelproben Überschreitungen der Grenzwerte für Hexachlorbenzol (HCB) festgestellt. Doch wurden die Zahlen nicht an die Öffentlichkeit gebracht. Als die Verseuchung im November bekannt wurde, hieß es lediglich, dass im Frühjahr „geringste Spuren“ festgestellt worden seien.

Allerdings handelt es sich laut den Ages-Untersuchungsergebnissen um deutliche Grenzwertüberschreitungen. So wies eine Bröseltopfenprobe vom 27. März 0,04 bis 0,079 (Messungenauigkeit) Milligramm HCB je Kilogramm auf – im günstigsten Fall ist das das Vierfache des erlaubten Werts. Auch bei weiteren Milchprodukten aus der Region wurden Überschreitungen festgestellt. Die Analysen wurden vom Institut für Lebensmittelsicherheit Innsbruck durchgeführt, der Untersuchungszeitraum ist mit 27. März bis 2. April 2014 angegeben. Wie die Austria Presse Agentur berichtet, wusste die betroffene Molkerei ebenso über die Werte Bescheid wie die Landwirtschaftskammer und die Agrarabteilung des Landes.

Ages: Behörden informiert

Ages-Sprecher Roland Achatz gibt an, dass nach dem Feststellen von Grenzwertüberschreitungen bei Milchproben aus dem Görtschitztal die zuständigen Behörden informiert wurden. Selbst mit Warnungen an die Öffentlichkeit gehen könne die Agentur nicht – dafür fehle die gesetzliche Grundlage. Wenn Lebensmittelproben von einem Bundesland an die Agentur geschickt werden, erhält die Behörde die Ergebnisse und im Fall von Belastungen auch ein entsprechendes Gutachten. Bei privaten Untersuchungen gehen die Resultate an den Auftraggeber. „Wenn wir allerdings etwas finden, wie etwa HCB in der Rohmilch, wird die zuständige Behörde informiert, in diesem Fall die Lebensmittelaufsicht in Kärnten.“ Von sich aus aktiv werden oder selbst Proben ziehen dürfe die Ages laut Achatz nicht.

Der Sprecher verteidigte auch die Aussage der Agentur zum Thema HCB, wonach bei den routinemäßigen Untersuchungen in den vergangenen Jahren keine auffälligen Befunde festgestellt worden seien. Es handle sich um die Bewertung der regelmäßigen Untersuchungen, die Kärntner Milch- und Milchprodukte seien hingegen sogenannte Verdachtsproben gewesen.

„Vertuschungsversuch“

„Erschüttert“ zeigte sich Greenpeace darüber, dass die AGES die HCB-Grenzwertüberschreitungen in Milchprodukten festgestellt, aber nicht veröffentlicht habe. „Dieser Vertuschungsversuch ist inakzeptabel“, ließ Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit in einer Aussendung ausrichten. Er forderte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) auf, sofort Untersuchungen einzuleiten, um aufzuklären, wer dafür verantwortlich sei, und sofort Konsequenzen zu ziehen.

Während nach und nach mehr bekannt wird, was rund um die HCB-Verseuchung falsch gelaufen ist, ist in Klein St. Paul Hilfe für die Bevölkerung angelaufen. In der Gemeinde, in der das mutmaßlich für HCB-Emissionen verantwortliche Zementwerk Wietersdorf steht, haben sich bisher 40 Menschen für ein medizinisches Beratungsgespräch angemeldet. Die Gespräche sind die Vorstufe zu Bluttests, die ab nächster Woche stattfinden sollen. In den kommenden Tagen informieren die Amtsärzte auch in den restlichen Gemeinden des Tals. Am Freitag finden die medizinischen Beratungen in Eberstein, am Samstag in Brückl und am Mittwoch in Hüttenberg statt. Informationsveranstaltungen mit der Landespolitik gibt es am Freitag in Brückl und in Klein St. Paul. (APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2014)

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