"Hamas": Der Verrat des „grünen Prinzen“

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Die Doku „The Green Prince“ schildert das Doppelleben des Mosab Hassan Youssef als Assistent seines Vaters, eines Hamas-Scheichs, und als israelischer Topspion.

Zwischen dem Regisseur und seinem Protagonisten sprang der Funke gleich anfangs über, und der Zufall tat sein Übriges. Der israelische Filmemacher Nadav Schirman hatte das Buch „Sohn der Hamas“, den Spionagethriller des Palästinensers Mosab Hassan Youssefs aus der Innensicht des Nahost-Konflikts, binnen Stunden verschlungen. Als die beiden sich in New York zu einem Vorgespräch für den Dokumentarfilm „The Green Prince“ trafen, schlug in der US-Metropole gerade die Nachricht von der Tötung Osama bin Ladens wie eine Bombe ein, und die beiden beschlossen spontan, mit dem Taxi zum Ground Zero zu fahren, dem Ort des 9/11-Attentats.

Zweieinhalb Jahre später feierte der schließlich mit dem Publikumspreis prämierte Dokumentarfilm beim Sundance Film Festival seine Premiere. Im Frühjahr vor allem vom israelischen Publikum umjubelt – damals enerviert vom neuerlichen Fehlschlag einer Friedensinitiative und hungrig nach einer positiven Story – läuft der Film inzwischen in den deutschen Programmkinos. In Österreich – und in der arabischen Welt – fand er dagegen noch keinen Verleih, wie Schirman bei einem Wien-Besuch beklagte.

Dabei vereint „The Green Prince“ alle Ingredienzien eines fesselnden Politthrillers, ist eine Mixtur aus Hollywood und griechischer Tragödie, wie der „Guardian“ konstatiert. In Grün- und Grautönen, den Farben des Olivenbaums, in gelblicher Patina und aus der Perspektive von Überwachungskameras, die die Akteure ins Fadenkreuz rückt, im Rhythmus von Schnitt und Gegenschnitt und anhand von Archivaufnahmen schildert die Doku die wahre und plakative Geschichte von der Konversion Mosab Hassan Youssefs.

Doppelte Konversion

Es ist die doppelbödige, quasi biblische Geschichte von Vertrauen und Verrat, Lug und Betrug, von der Anwerbung des „grünen Prinzen“, des ältesten Sohns des Scheichs Hassan Youssef, seines Zeichens Mitgründer und Führer der radikalislamischen Terrororganisation Hamas, durch den israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet, die aufkeimende Freundschaft zu seinem Führungsoffizier Gonen Ben Yitzhak, dem Sohn eines israelischen Generals, das politische Exil in San Diego, zu dem ihm letztlich sein „Wahlbruder“ Ben Yitzhak verhilft, die Metamorphose zum südkalifornischen Yoga-Jünger, die Wandlung vom Moslem zum Christen, verstoßen von der Familie im Westjordanland.

Schirman, der Sohn eines israelischen Diplomaten, der während der ersten Intifada als Fallschirmjäger im Fronteinsatz war, charakterisiert den Plot so: „Eine emotionale Achterbahnfahrt zweier Charaktere, die den Mut haben, ihrem Kompass zu folgen.“ Israelische Sicherheitskräfte zerren 1996 den 18-jährigen Steinewerfer und Waffenschmuggler Mosab aus dem Auto. „Willkommen im Schlachthaus!“ lautet die Parole zur Begrüßung im Gefängnis, in dem er psychischer Folter ausgesetzt ist und der Prozess der Transformation zum israelischen Agenten einsetzt, geködert von Geld, westlichem Lebensstil und dem Nervenkitzel. „Er war süchtig nach Action“, sagt Schirman über den „grünen Prinzen“, der behauptet, in seiner Jugend von einem Bekannten der Familie vergewaltigt worden zu sein – ein dunkler, unausgeleuchteter Punkt in seiner Biografie. Umgedreht wird der Sohn des Hasspredigers indes erst im berüchtigten Megiddo-Gefängnis nahe Haifa. Unter dem Eindruck des Terrorregimes palästinensischer Haftinsassen, die vermeintlichen Kollaborateuren Stecknadeln unter die Nägel treiben und Plastik auf deren Körper schmelzen lassen, wendet er sich angewidert ab.

Als Hamas-Insider, als Assistent seines Vaters und als hochkarätiger israelischer Spion führt Mosab Hassan Youssef ein Doppelleben: Er sorgt für die Sicherheit seines Vaters und lässt ihn bei Gefahr in Verzug ins Gefängnis verfrachten, zugleich liefert er hochrangige Hamas-Mitglieder ans Messer und vereitelt eine Reihe von Attentaten. Jassir Arafat tätschelt ihm die Wange, er telefoniert mit Khaled Maschal, dem Hamas-Chef im Exil in Damaskus. Damit er nicht auffliegt, inszeniert der israelische Geheimdienst unter der martialischen Kulisse von Schüssen und Explosionen zum Schein eine Strafaktion gegen seinen Topspion in dessen Haus in Beitunia.

Nadav Schirman fasziniert das psychologische Nahverhältnis zwischen Mosab Hassan Youssef und Gonen Ben Yitzhak, der dem Agenten ans Herz wächst: als Freund, als Bruder und Vaterfigur. Der Führungsoffizier überschreitet die Grenzen einer professionellen Beziehung, und als ihn Shin Bet schließlich vom Dienst suspendiert, gibt auch sein Schützling die aufreibende, adrenalintreibende Agententätigkeit auf. Angst und Paranoia verfolgten Youssef in den USA, in Bibelrunden suchte er als „Joseph“ seinen Frieden. Für seinen Vater ist er „tot“, zugleich fragt er dem Vernehmen nach: „Wie geht es ihm?“

AUF EINEN BLICK

Nadav Schirmans Doku „The Green Prince“ debütierte heuer beim Sundance Film Festival. Heute läuft die Doku im Rahmen des Festivals This Human World auf Initiative der NMedienbeobachtungsstelle Naher Osten Mena im Wiener Top-Kino (23 Uhr).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2014)

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