Gumpendorfer Wohnhaus: Kastenfenster und Pawlatschen

Denkmalschutz, Laubengänge und ein spiritueller Name: Das Gumpendorfer Wohnhaus „Zum Auge Gottes“ wird von Grund auf saniert.

Warum das Haus „Zum Auge Gottes“ heißt, weiß man heute nicht mehr, und das typische Zeichen fehlt an der Fassade auch: ein Dreieck, von einem Strahlenkranz umgeben, aus dessen Mitte ein Auge wachsam auf die Bewohner und Passanten herunterblickt. Bemerkenswert ist das frisch sanierte Objekt in der Gumpendorferstraße 73 allerdings nicht durch seinen Namen, sondern durch seine Pawlatschen. Solche Laubengänge, über die man jede Wohnung von außen betreten kann, waren nicht nur praktisch in der Errichtung, sondern auch raumsparend, weil sie größere Treppenhäuser und lange Gänge obsolet gemacht haben. Doch sie sind in Wien selten: Der Häuserbestand aus dem josefinischen Zeitalter ist nicht sehr groß. Und in der Phase danach durften solche balkonartigen Zugänge nicht mehr errichtet werden: 1881, nachdem das Ringtheater und hunderte Besucher einem verheerenden Brand zum Opfer gefallen waren, wurde nebst manch anderer Baupraxis auch die Pawlatsche verboten. In Budapest hingegen existieren noch einige bemerkenswerte Beispiele dieser Art der Etagenerschließung.

Erbaut wurde das Objekt „Zum Auge Gottes“ im Jahr 1780 als Dreiecksbau, 1822 kam ein Hoftrakt dazu. Aufstrebende Unternehmer bezogen hier in soliderer Substanz und auf etwas großzügigeren Grundrissen Quartier als in den sie umgebenden Bauten. Unweit des Hauses war die Hofmühle in Betrieb – und Gumpendorf noch ein Dorf in der Wiener Vorstadt.

„Jahrelang stand das Gebäude fast leer, es gab nur noch wenige Mieter“, erzählt Robert Fotter, Geschäftsführer von Wohninvest, die das Objekt vor zwei Jahren als Bauherrenmodell entwickelt hat. Unter wechselnden Besitzern davor war in dem denkmalgeschützten Wohngebäude kaum zur Erhaltung beigetragen worden, zuletzt fiel im Bezirk schon Kritik von wegen „Schandfleck“.

Alte Mauern, neue Decken

Die letzten Vorbesitzer hatten zumindest einen Dachausbau mit Maisonetten vorbereitet, doch auch da musste einiges finalisiert werden – man schnitt Terrassen ein, überlegte sich praktikable Grundrisse, nun wird ausgebaut. Beim Entwickeln im Konsens mit dem Denkmalschutz hat Wohninvest bereits einige Übung, 22 gründerzeitliche Zinshäuser wurden im Zuge von Investments durch Bauerherrenmodelle saniert und vermietet, so auch hier.

Und dann barg dieses dreigeschoßige Haus doch ein paar Überraschungen: „Einige Decken waren durchgemorscht. Aber wir haben es im bestehenden Bauwerk geschafft, diese zu ersetzen“, erklärt Architekt Thomas Musial. Auch die kompletten Pawlatschengänge wurden in Abstimmung mit den Behörden im alten Stil neu hergestellt. Die alten Kastenfenster galt es aufzuarbeiten. Die Gliederung der Etagen entsprach der damaligen Les- und Lebensart, der erste Stock mit den großen Fenstern war der nobelste, die Fensterreihe darüber kleiner. Ganz unten wurde gearbeitet, heute befindet sich noch ein Geschäftslokal darin. Im restlichen Erdgeschoß wird der Mieter ins Grüne schauen, denn der Innenhof soll begrünt werden.

Charme verströmen die Pawlatschen über dem schmalen Innenhof, die grünen schmiedeeisernen Geländer, die traditionellen Details, die historische Wendeltreppe neben dem neuen Lift. „So ein Ambiente wie in alten Häusern ist bei heutigen Gebäuden nicht gegeben“, meint Robert Fotter. Dass die meisten Wohnungen im „Auge Gottes“ eher kleiner dimensioniert sind, entspricht ganz der Nachfrage, so Fotter. Da kommen ihnen die historischen Grundrisse, die wegen des Denkmalschutzes eingehalten werden müssen, auch durchaus recht.

ZUM OBJEKT

Das Wohnhaus „Zum Auge Gottes“ in 1060 Wien hat 1900 Quadratmeter bewertete Nutzfläche, die größte Wohnung (in Dachgeschoß-Maisonetten) misst 140 Quadratmeter. Saniert und vermietet wird das Objekt durch ein Bauherrenmodell, es haben sich 15 Investoren beteiligt. Die Wohnungen (von 37 bis 140 Quadratmetern) werden bzw. sind an Bestandsmieter vermietet. Im Innenhof ist eine Begrünung mit Brunnen geplant. Das Haus steht unter Denkmalschutz. www.wohninvest.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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