Müllverwertung: Zementwerk unschlagbar billig

Belastung der Umwelt durch Industrieabgase
Belastung der Umwelt durch Industrieabgase(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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Mineralische Abfälle landen immer öfter im Drehrohrofen. In vielen Fällen ist das sinnvoll, nicht in allen wirklich sauber. In jedem Fall ist es aber eine der kostengünstigsten Varianten, die zur Verfügung stehen.

Wien. Nicht wenige Österreicher waren beim Bekanntwerden des Skandals über die Freisetzung des Umweltgifts Hexachlorbenzol (HCB) in Kärnten überrascht, dass die Substanz wohl über den Schlot eines Zementwerks in Umgebung und Nahrungsmittel gelangte. Der Grund dafür: Diese Industrie entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer unkomplizierten und kostengünstigen Alternative, Müll, Problemstoffe und gefährliche Altlasten zu verbrennen oder wiederzuverwerten.

Das gilt insbesondere dann, wenn sich das Material nicht nur als Brennstoff, sondern auch als Ersatzrohstoff eignet. So wie – zumindest theoretisch – der mit HCB verunreinigte Blaukalk aus Kärnten. Dann nämlich wird der sonst übliche Altlastensanierungsbeitrag nicht fällig. Dieser beträgt in Müllverbrennungsanlagen immerhin acht Euro pro Tonne, bei Deponien – und je nach Gefährlichkeit der gelagerten Materialien, beläuft sich diese Abgabe auf 9,20 Euro (Baurestmassen), 20,60 Euro (Reststoffe) oder 29,80 Euro (Massenabfall oder gefährliche Abfälle).

Gleichzeitig hängen die Preisunterschiede für die Verwertung von Altlasten auch von ihrer chemischen Zusammensetzung ab. Als Richtwert kann man jedoch sagen: Das gleiche Material, das in einer Müllverbrennungsanlage für 150 Euro pro Tonne ins Feuer geht, kostet bei der Behandlung durch Bodenaufbereitung und anschließender Deponierung 100Euro und beim Brennen und Wiederverwerten im Drehrohrofen eines Zementwerks 50 Euro.

Privat verschmutzt, Staat fördert

Bei Mengen von mehreren hunderttausend Kubikmetern – die Blaukalk-Deponie der Donau Chemie im Kärntner Brückl ist so ein Fall – kann die Einsparung enorm sein. Von diesem Kostenvorteil profitieren jedoch nicht nur Unternehmen, die ihre Abfälle auf eigene Kosten entsorgen. Auch die Verwaltung öffentlicher Gelder wird durch den Einsatz von Zementwerken bei der Abfallverwertung effizienter. Unternehmen wie die Donau Chemie (aus ihrem Werk stammen die Problemstoffe im Kärntner Brückl) lassen sich die Sanierung ihrer eigenen Umweltsünden aus dem Altlastensanierungsfonds fördern. Bei Verursachern, die gar nicht mehr zur Verantwortung zu ziehen sind, übernimmt der Fonds sämtliche Kosten. Im Lauf der vergangenen 20 Jahre stellte sich heraus, dass nur 23,5 Prozent der Kosten von den Verantwortlichen selbst getragen werden. Der Rest, nämlich 76,5 Prozent, stammt aus Mitteln, die die öffentliche Hand einhebt. Das entspricht ziemlich genau der Summe von einer Mrd. Euro seit dem Jahr 1993.

Setzt ein Zementwerk Müll nicht als Ersatz für Roh-, sondern als Brennstoff ein, zahlt der Betreiber auch hier Altlastenbeitrag. Allerdings: Im Gegensatz zu einer Müllverbrennungsanlage müssen dort nur deutlich weniger aufwendige Filteranlagen installiert werden. Das spart Kosten, verursacht aber Probleme mit Schwermetallen (siehe Seite 1).

Das Geschäft mit der Verwertung gefährlichen Mülls ist hart. Das zeigt eine Äußerung von Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima. Sie fordert ein Verbot des Einsatzes von Giftmüll in der Zementindustrie und eine verpflichtende Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen. Nicht ohne wirtschaftliche Hintergedanken: Österreichs Müllverbrenner – vor allem die Wiener – kämpfen mit großen Überkapazitäten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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