Wenn Verantwortungslosigkeit amtlich wird

Andreas Khol
Andreas Khol (c) Stanislav Jenis
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Im Umgang mit dem jüngsten Umweltskandal in Kärnten schiebt die Lokalpolitik die Verantwortung von sich. Das kennen wir vom Fall Hypo Alpe Adria.

Andreas Khol gehört zu den schlauen alten Füchsen der politischen Republik, nur wenige – etwa Josef Cap – können ihm das Wasser reichen. Herren mit derart schillerndem Geist und ausgeprägtem Intellekt befällt mitunter (sicher unfreiwillig) eine Form von Ehrlichkeit, die man wohl zynisch nennen muss. In der „Zeit im Bild“ verwies er vor Kurzem auf die Frage der persönlichen Haftung und der Verantwortung diverser ÖVP-Finanzminister und Regierungsmitglieder recht trocken auf Abgänge und Rücktritte der Betroffenen. Damit sei die Sache erledigt. Ähnlich argumentierte die Nachfolgepartei der Kärntner FPÖ: Heinz-Christian Strache verweist Verbindungen seiner damaligen, früheren oder späteren (Wieder-)Parteifreunde einfach in ein anderes Jahrzehnt.

Demnach ist auch Wolfgang Waldner, Ex-ÖVP-Bundespartei-Expeditionsleiter in Kärnten und Ex-Kurzzeitlandesrat, aus dem Schneider, dessen Beamte schon im Frühjahr von dem Problem gewusst haben. Abgetreten, Fall erledigt. Ähnlich war das im Burgtheater und mit den verlorenen Daten tausender Schüler im Bildungsressort. Eine Ressortverantwortliche? Claudia Schmied? Ruhestand!

Irgendwie löst das unschöne Gefühle zwischen Zorn und Empörung aus. Und irgendwie beginnen die Gedanken in ein gefährlich populistisches Fahrwasser zu geraten: Vielleicht besteht eine Strafe dann wenigstens darin, in einem U-Ausschuss von einem Peter Pilz und jenem, der sich gerade in der aktuellen Sternschnuppenpartei produzieren darf, am Nasenring öffentlich vorgeführt und gedemütigt zu werden.


In Frankreich wurde ein ehemaliger Bürgermeister zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, da er die Gefahren eines anrückenden schweren Sturms verschleiert haben soll, dessentwegen 29 Menschen bei Überschwemmungen ums Leben gekommen sind. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Ex-Gemeindechef von La Faute-sur-Mer finanzielle Einbußen für den Badeort befürchtete und deshalb nicht warnte. Das ist ein extremes Beispiel und selbst sehr erregte Zornbürger sollten sich den Ruf „Ins Gefängnis!“ angesichts mancher politischer Performance ersparen. Ein Blick auf den für viele übertrieben strengen Untreueparagrafen zeigt, dass Manager und eigentlich auch Politiker sehr genau geprüft werden können. Also konkret, ob sie Unternehmen oder Organisationen, für die zu entscheiden sie bevollmächtigt sind, wirtschaftlichen Schaden zugefügt haben. Vielleicht findet sich im Griss-Bericht dazu doch der eine oder andere Hinweis für ein Verfahren – jenseits der U-Ausschuss-Show.

Einen eigenen Politikerhaftungsparagrafen einzuführen, wie nun manche vorschlagen, hätte zwar den demokratiepolitisch reinigenden Effekt, dass die Arroganz gewisser Herrschaften rasch einer etwas bescheideneren Haltung Platz machen würde. Es hätte aber – ähnlich wie bei der Untreue bei Managern – einen sehr unangenehmen Nebeneffekt: Entscheidungen würden noch langsamer und zögerlicher gefällt. Und: Die ohnehin schon mediokre Attraktivität des Berufs Politiker würde weiter sinken – parallel zur Qualität des Personals.

Was aber am meisten verärgert, ist das Lavieren, das Ducken, das Unschuldslammspielen: Warum dilettieren Kärntens Landespolitiker, die bis gestern noch harmlos-anständig gewirkt haben, mit halbherzigen Erklärungsversuchen und Schuldweiterweisungen, statt einfach zu sagen: „Da ist einiges sehr schiefgelaufen. Unser Fehler. Jetzt versuchen wir, das besser zu machen.“ Selbst der Grünen-Kontrolleur wirkt plötzlich wie ein ertappter notorischer Lügner.

In der Causa Hypo, in der es zumindest finanziell um viel mehr und wohl noch viel stärker um Schuld und Fahrlässigkeit geht: Warum bequemt sich keine der handelnden Personen – Kanzler, Ex-Finanzstaatssekretäre und vor allem Ex-Finanzminister – zu einer Erklärung, Worten des Bedauerns und angesichts der Milliarden einer Entschuldigung? Warum sagt keine(r): „Wir waren in der Nacht der Verstaatlichung angesichts der Situation und des Drucks überfordert. Wir haben bestem Gewissen und größter Panik folgend entschieden. Aus heutiger Sicht würden wir es vermutlich anders machen. Aber so war es. Entschuldigung!“ Ist das so schwierig?

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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