S wie Steuerreform oder N wie Neuwahl

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Am Mittwoch beginnen die Regierungsverhandlungen zur Steuerreform. Das Problem dabei ist, dass sie irgendjemand bezahlen wird müssen. Yachtbesitzer zum Beispiel. Oder Enkel. SPÖ und ÖVP haben da unterschiedliche Pläne.

wie Arbeitnehmer. Zielgruppe der geplanten Steuerentlastung. Dabei handelt es sich um einen Wiedergutmachungsversuch der Regierung. Denn zur Sanierung des Staatshaushalts hat sie in den vergangenen Jahren vor allem die Arbeitnehmer herangezogen. Die Lohnsteuereinnahmen sind seit 2010 viel stärker gestiegen als die Bruttolöhne. Beträchtliche Einbußen in den Geldbörsen waren die Folge. Das soll sich ändern. Wobei das Ausmaß der Entlastung noch offen ist: Die SPÖ würde den Arbeitnehmern gern 5,9 Milliarden Euro zukommen lassen, die ÖVP in einem ersten Schritt 3,8 Milliarden Euro.


wie Belastungen. So eine Steuerreform will auch finanziert werden. Sparen wäre eine Möglichkeit, sich Spielräume im Budget zu verschaffen. Ganz so schwer will es sich die Regierung allerdings auch nicht machen: Die Entlastungen sollen zumindest teilweise mit Belastungen bezahlt werden. Die SPÖ hätte gern Vermögenssteuern aller Art. Die ÖVP denkt über eine höhere Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung – jene Schwelle, über der das Einkommen beitragsfrei bleibt – nach (derzeit bei 4530 Euro pro Monat).
wie Chaos. Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung. Das Wort wird oft im Zusammenhang mit dem Steuersystem gebraucht. Das liegt an den zahlreichen Ausnahmebestimmungen. Laut Finanzministerium entgehen dem Staat dadurch 9,6 Milliarden Euro pro Jahr. Eine knappe Milliarde will die Regierung nun für die Steuerentlastung freischaufeln. Bedeutet: Etliche Ausnahmen werden gestrichen (wobei noch unklar oder geheim ist, welche). Siehe dazu auch B wie Belastungen.


wie Deadline. Fällt mit dem Tag der Wahrheit zusammen. Im Fall der österreichischen Regierung ist das der 17.März nächsten Jahres. Spätestens an diesem Tag wollen SPÖ und ÖVP ein gemeinsames Konzept für eine Steuerreform vorlegen. Scheitert das Unterfangen, ist die Koalition wohl am Ende. Sprich: dead. Siehe auch N wie Neuwahl.


wie Eingangssteuersatz. Der Anteil, den man vom ersten zu versteuernden Euro oberhalb der Freigrenze (11.000 Euro pro Jahr) abführen muss. Liegt derzeit bei 36,5Prozent. Soll auf 25 Prozent gesenkt werden. Zumindest da sind sich die Koalitionsparteien einig. Siehe auch U wie Unterschiedliche Standpunkte.
wie Faymann. Kanzler und SPÖ-Chef. Noch, wie manche meinen. Ist seit dem SPÖ-Parteitag Ende November, der ihm ein – nun ja – mäßiges Wiederwahlergebnis beschert hat, geschwächt. Muss seinen Parteifreunden deren Vermögenssteuerwünsche erfüllen und gleichzeitig einen Kompromiss mit der ÖVP ausverhandeln. Das ist ungefähr so, als müsste man bei einem Fußballspiel beiden Mannschaften die Daumen drücken. Der Mann, also Faymann, ist im Moment eher nicht zu beneiden.


wie Gewerkschaftsbund. Dachverband aller Gewerkschaften, neuerdings auch Thinktank. Entwickelte mit der Arbeiterkammer ein Steuerreformkonzept, das der SPÖ-Vorsitzende (siehe F wie Faymann) umgehend zur Parteilinie erklärte. Man kann annehmen, dass auch die Dienstgeberseite, also die Wirtschaftskammer, ihren politischen Einfluss geltend gemacht hat. Ein Indiz dafür könnte sein, dass die ÖVP den Unternehmen Entlastungen über 800Millionen Euro angedeihen lassen will.


wie Hypo Alpe Adria. Bank aus Kärnten, die landespolitisch vereinnahmt, 2009 verstaatlicht und danach stark vernachlässigt wurde. Kostet den Steuerzahler zwischen 15 und 20 Milliarden Euro – so genau weiß man das noch nicht. Erschwert aber ganz sicher die Gegenfinanzierung der Steuerreform.


wie Ich. Andere, weniger politische Perspektive auf die Steuerreform: Was hat der Einzelne davon? Ein höheres Nettogehalt, also monatlich zwischen 28 und 211 Euro mehr, je nach Einkommenshöhe. Verspricht die SPÖ. Im Modell ÖVP sind es nur zwischen 50 und 111 Euro. In der kleineren Regierungspartei ist man nämlich der Meinung, der Staat solle sich nicht übernehmen. Oder besser: nicht mehr.


wie Jörg. Nein, nicht Haider (wobei auch dieser hier eine Rolle spielt – siehe H wie Hypo Alpe Adria). Sondern Schelling. Eigentlich Hans Jörg. Finanzminister der Republik seit 1.September. Leitet den Steuerreformprozess. Wird in der ÖVP bereits als großer Reformer gefeiert. Muss die Vorschusslorbeeren aber erst rechtfertigen. Und wurde eigentlich als Johann Georg Schelling geboren.


wie Kommission. Gremium, das mit einer bestimmten Aufgabe betraut wird. Zum Beispiel damit, Vorschläge für eine Steuerreform zu machen. Eine solche Kommission, die sich im aktuellen Fall aus Experten zusammensetzt, hat ihre Arbeit am Freitag beendet. Jetzt übernimmt die Regierung. Z wie Zielsprint sozusagen. Oder auch D wie Deadline.


wie Länder. Gliedstaaten der Republik, neun an der Zahl. Werden von Landeshauptleuten geführt, die sich regelmäßig in die Bundespolitik einmischen. Meistens erfolgreich. Die Länder heben keine Steuern ein, geben sie aber aus. Müssten durch die Reform auf eine knappe Milliarde Euro verzichten. Wollen kooperativ sein. Dieses Mal.


wie Mitterlehner. Vizekanzler und ÖVP-Chef. Gab seiner Partei nach dem glücklosen Michael Spindelegger wieder Hoffnung (auf das Kanzleramt). Wobei das auch schon Michael Spindelegger nach dem glücklosen Josef Pröll getan hat. Und Josef Pröll nach dem glücklosen Wilhelm Molterer. Nun also Mitterlehner. Nicht nur Faymann, auch ihn wird man an der Steuerpolitik messen. Intern wie extern.


wie Neuwahl. Szenario für den Fall, dass SPÖ und ÖVP an einer gemeinsamen Steuerreform scheitern.


wie Oma. Synonym für die Erbschafts- und Schenkungssteuer, die 2008 abgeschafft und – wenn es nach der SPÖ geht – wieder eingeführt werden soll. Der Plan? Begünstigte liefern zwischen 25und 35 Prozent an den Staat ab, wenn alle Erbschaften und Schenkungen, die sie binnen 30 Jahren bekommen haben, insgesamt den Wert von einer Million Euro übersteigen. Ausnahmen gibt es nur bei Betriebsübergaben. Da kann die Steuer bis zu zehn Jahre gestundet werden. Sofern es dazu kommt. Denn die ÖVP ist dagegen.


wie Prinzip Hoffnung. Ein Teil der Steuerreform soll sich selbst finanzieren. Die SPÖ nennt eine Milliarde Euro, die ÖVP 900Millionen. Wenn die Leute mehr Geld haben, dann geben sie mehr aus – und der Staat nimmt wieder mehr ein. Eine Theorie, die dem Prinzip Hoffnung unterliegt. Das gilt auch für die Annahme, eine Milliarde über die Bekämpfung von Steuerbetrug zu lukrieren.


wie Quote. Die Steuer- und Abgabenquote ist eine Kennzahl, die den Anteil von Steuern und Sozialabgaben an der Wirtschaftsleistung (BIP) angibt. In Österreich liegt sie bei 44 Prozent. Das ist ein europäischer Spitzenwert, weil deutlich über dem EU-Schnitt von 40 Prozent.

wie Reiche. Potenzielle Sponsoren der Steuerentlastung – nach Meinung der SPÖ. Reich ist jemand, der viel Geld hat. Aber wie viel ist viel Geld? Eine Million Euro, sagt die Kanzlerpartei. Ab einem Nettovermögen in dieser Höhe sollen 0,5Prozent Vermögenssteuer fällig werden, ab zehn Millionen ein Prozent. Pro Jahr erwartet man sich dadurch zwei Milliarden für die Staatskasse. Mit der ÖVP jedoch nicht umsetzbar.


wie Spitzensteuersatz. Beträgt in Österreich 50 Prozent. Soll auch so bleiben. Nur die Bemessungsgrundlage wird erhöht. Die SPÖ würde gern auf 80.000 Euro gehen, die ÖVP auf 100.000 Euro. Derzeit gilt der Spitzensteuersatz für Einkommensteile ab 60.000 Euro.

wie Tarife. Drei Steuertarife gibt es in der Lohnsteuer: 36,5 Prozent (für Einkommensteile zwischen 11.000 bis 25.000 Euro), 43,2 Prozent (25.000 bis 60.000) und 50Prozent (ab 60.000 Euro) Die Koalition hat außer Streit gestellt, dass es mehr Stufen braucht, um die kalte Progression abzufedern. Im SPÖ-Modell sind es sechs Tarife, bei der ÖVP fünf. Beide beginnen mit 25 Prozent – siehe E wie Eingangssteuersatz. Und enden mit 50 – siehe S wie Spitzensteuersatz.


wie Unterschiedliche Standpunkte. Kommunikationsstrategie der Regierung in Bezug auf die Steuerreform. Gehören bei Rot-Schwarz einfach dazu. Und führen nach allen Regeln der sozialpartnerschaftlichen Kunst zu einer Einigung, also einem Kompromiss. Wie sagte Vizekanzler Mitterlehner, ein gelernter Sozialpartner, am Mittwoch nach dem Ministerrat noch gleich? „Wenn man sich nicht einigt, dann haben wir ein Problem.“ Siehe auch N wie Neuwahl.

wie Verwaltungsreform. Eines der Lieblingswörter der ÖVP. Wird meist in einem Satz mit Förderungen genannt. Und zwar immer dann, wenn die Regierung Geld braucht. Dieses Mal sollen Reformen in der Verwaltung und im „Förderdschungel“ 1,1 Milliarden bringen. Klingt gut. Fehlen nur noch die Details. Macht aber nichts. Schlimmstenfalls kann sich die ÖVP immer noch auf die „sparunwillige“ SPÖ ausreden. Diese Strategie hat sich bereits bewährt.


wie Wünsche. Neben den Lohnsteuerzahlern möchten die Regierungsparteien auch anderen Gruppen, die rein zufällig zu ihrer Stammklientel zählen, einen Gefallen tun. Die ÖVP hat Steuererleichterungen für Familien vorgesehen. Die SPÖ will die Negativsteuer erhöhen, also die Gutschrift für jene Arbeitnehmer, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen.

wie X-fach. So oft wurde diskutiert, wann die Steuerreform denn nun in Kraft treten soll. Genützt hat es nichts. Die SPÖ bleibt dabei: 2015, notfalls rückwirkend. Die ÖVP glaubt nicht, dass sich das angesichts der Staatsverschuldung ausgeht. Ihr Zieldatum bleibt 2016.


wie Yacht. Wasserfahrzeug für Sport- und Freizeitzwecke. Gehört wie der Ferrari und die Villa zu den äußeren Erkennungsmerkmalen Reicher. Der Yachtbesitzer ist also ein potenzieller Steuerreformsponsor. Siehe R wie Reiche.


wie Zielgerade.Ort des Endspurts. Die Regierung biegt am Mittwoch in die Zielgerade ein, denn da beginnen die Verhandlungen zur Steuerreform. Dass sie vor dem 17.März (D wie Deadline) das Ziel erreicht, glaubt niemand. Mitterlehner verwendete Ende der Woche – seinen Kollegen Fritz Neugebauer zitierend – eine kulinarische Metapher: „Das Gansl wird erst in den letzten zehn Minuten knusprig.“ Bleibt zu hoffen, dass bis dorthin keinem der Appetit vergeht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2014)

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