Finanzierung: Im Rückwärtsgang zur Steuerreform

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Die Verkleinerung des Sonderausgabentopfes hängt wieder in der Luft. Für die Anhebung der Sozialbeiträge von Besserverdienern wurden mehrere Varianten durchgerechnet.

Wien. Auf die politische Verhandlungsrunde von SPÖ und ÖVP zur Steuerreform, die am Mittwoch ihre Tätigkeit aufnimmt und bis März 2015 fertig sein soll, kommt zusätzliche Arbeit zu. Zu den seit Längerem bekannten Differenzen um die SPÖ-Forderungen Vermögens- und Erbschaftssteuern haben sich nun weitere Unstimmigkeiten gesellt. Konkret betrifft dies die Streichung eines Teils der steuerlichen Begünstigung von Sonderausgaben.

In der Expertenkommission zur Steuerreform, die am Dienstag ihren Endbericht an Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und SPÖ-Klubchef Andreas Schieder übergeben wird, entspann sich um die Einschnitte bei den Begünstigungen ein derart intensiver Konflikt, dass nun dieser Punkt im Endbericht fehlen wird, wie der „Presse“ von Verhandlerseite bestätigt wurde. Beim Auftakt der SPÖ-ÖVP-Runde am Mittwoch wird vor allem der weitere Zeitplan für die Verhandlungen bis zum 17. März 2015 geklärt. Die Steuerreform soll großteils Anfang 2016 in Kraft treten.

Die Koalition nimmt die Steuerreform damit quasi im Rückwärtsgang in Angriff. Denn die Verkleinerung des Topfes an Sonderausgaben, die steuerlich geltend gemacht werden können, ist für beide Parteien einer der Kernpunkte, um einen Teil der Entlastung zu finanzieren.
Insgesamt machen die Maßnahmen, die bei den Sonderausgaben ins Auge gefasst wurden, 340 Millionen Euro aus. In der Arbeitsgruppe ist eine Einigung über mögliche Kürzungen bei diesen Sonderausgaben an der Auseinandersetzung darüber geplatzt, welche Begünstigungen wegfallen sollen. Dem Vernehmen nach gab es keine Einigung darüber, welche Einschnitte es dabei für die Wirtschaftsseite im Gegenzug zu Streichungen, die die Arbeitnehmer betreffen, geben soll. Daher wird dieses Thema nun aus dem Expertenbericht ausgeklammert. Allerdings ist es damit nicht vom Tisch: Eine Klärung müssen SPÖ und ÖVP nun in den politischen Verhandlungen finden.

Die Kontroverse um die Einschränkung dieser steuerlichen Begünstigungen ist nur ein Vorgeschmack darauf, wie schwierig die Suche nach einem Kompromiss bis März 2015 wird. Die härteste Nuss werden wohl die SPÖ-Pläne über Vermögens- und Erbschaftssteuern über einer Freigrenze von einer Million Euro, die nach SPÖ-Rechnung zwei Milliarden Euro bringen würden. Konsens besteht, wie inzwischen auch Schelling bestätigt hat, darüber, dass Begünstigungen bei Dienstwägen im Falle privater Nutzung im Ausmaß von 50 Millionen Euro wegfallen sollen.

Annäherung bei Familien

Wie „Die Presse am Sonntag“ bereits am 7. Dezember berichtet hat, ist die SPÖ der ÖVP bei der Entlastung der Familien entgegengekommen. Das Konzept der Sozialdemokraten sieht dafür zusätzlich zur Entlastung der Arbeitnehmer mit einem Volumen von 5,9 Milliarden Euro weitere 150 Millionen vor. Diese Mittel sollen vorrangig in die steuerliche Berücksichtigung von bildungsnahen Maßnahmen wie etwa Kurse in den Ferien fließen.

Die ÖVP-Pläne zur Entlastung der Familien gehen viel weiter und sehen, wie berichtet, eine Entlastung bis zu 1,1 Milliarden Euro zusätzlich zu den 3,8 Milliarden Euro, die für Arbeitnehmer freigemacht werden sollen, vor. Allein in dem Bereich gibt es demnach eine Kluft von einer knappen Milliarde Euro.

Mit Interesse werden von Beziehern höherer Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage von derzeit 4530 Euro brutto im Monat die konkreten ÖVP-Pläne zur Neuregelung bei den Sozialversicherungsbeiträgen erwartet. Denn ein Fixpunkt im ÖVP-Steuerkonzept ist, dass jene rund 2,5 Millionen Personen, die keine Steuer bezahlen, durch eine Senkung der Sozialbeiträge (dazu zählen Kranken- und Pensionsversicherung) entlastet werden müssten. Davon würden nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch die Unternehmen profitieren.

Details gab die ÖVP bisher nicht preis. Teil ihres Konzepts ist im Gegenzug aber auch eine außertourliche Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage für Besserverdiener. Die ÖVP-Spitze hat dies zwar bisher nur als Möglichkeit in den Raum gestellt. Intern sind die Vorbereitungen aber schon viel weiter gediehen. Wie der „Presse“ in der ÖVP bestätigt wurde, sind bereits mehrere Varianten durchgerechnet worden – je nachdem, wie viele zusätzliche Einnahmen nötig sind, damit bei einer Senkung der Sozialbeiträge für niedrige Einkommen kein neues Finanzloch entsteht.

Bei der SPÖ rennt die ÖVP damit offenen Türen ein. Diese Maßnahme bis hin zur Abschaffung der Höchstbeitragsgrundlage, die unter Rot-Schwarz jedoch keinesfalls kommen wird, war in den vergangenen Jahren schon mehrfach von SPÖ-Politikern gefordert worden.

STEUERREFORM: DIE GREMIEN

Die Expertenkommission hat einen Bericht mit mehr als 200 Seiten erstellt. Neben Berechnungen finden sich darin auch internationale Vergleiche zu bestimmten Steuermaßnahmen. Den Vorsitz hatte Gunther Mayr, Sektionschef im Finanzministerium. Dazu kamen Experten und Vertreter der Regierungsparteien, etwa Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm, ein Berater von Kanzler Werner Faymann oder ÖVP-Finanzsprecher Andreas Zakostelsky.
Die politische Runde wird von Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner geleitet. Diese werden von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder unterstützt. Hinzu kommen die Ländervertreter: Wiens Bürgermeister Michael Häupl und der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl für die SPÖ – sowie die Landeshauptleute aus Nieder- und Oberösterreich, Erwin Pröll und Josef Pühringer, für die ÖVP.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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