Die Klimaretter treten leiser – und das ist auch gut so

Beim Klimagipfel in Lima blieb der große Wurf aus. Dafür sind China, USA und Indien erstmals an Bord. Europa kann seine sinnlose One-Man-Show beenden.

Wieder ein Klimagipfel, der mit enttäuschten Gesichtern endet. Auch nach zwei Tagen Verlängerung haben sich die Staaten auf dem UN-Klimagipfel in Lima Sonntagnacht nur auf einen recht weichen Kompromiss einigen können. Das Papier, das als Grundpfeiler für den Weltklimavertrag gedacht ist, der in einem Jahr in Paris abgesegnet werden soll, liefert mindestens so viele Fragen wie Antworten. Verpflichtende CO2-Reduktionsziele fehlen, ebenso Sanktionsmechanismen, der große Wurf blieb aus. Mehr noch: Er wurde gar nicht gesucht – und genau genommen, ist das ein Fortschritt.

Denn so, wie es bisher geschehen ist, hat es keinen Sinn. Nach 19 erfolglosen Weltklimakonferenzen war es höchste Zeit, die Strategie zu ändern. Statt weiter dogmatisch nach einem verpflichtenden Klima-Generalplan zu suchen, der ohnedies nicht kommen wird, konzentrierte man sich in Lima darauf, was die Staaten ab 2020 freiwillig tun wollen, um die Treibhausgas-Emissionen zu vermindern. Bis Ende März sollen die Länder melden, was sie zu tun bereit sind. Das klingt nach wenig, ist aber endlich ein nüchterner – und damit auch Erfolg versprechender – Zugang, dem erstmals auch die großen Klimasünder China, Indien und USA etwas abgewinnen können.

Das ist mehr, als man erwarten konnte. Denn professionelle Klimaretter hatten schon weniger Argumente gegen sich: Die Energiewende in Deutschland entpuppt sich als milliardenteures Klimafiasko, ein Fass Erdöl ist so billig wie zuletzt mitten in der großen Rezession 2009 – und die Menschen interessieren sich letztlich doch mehr für ihren Arbeitsplatz als für die Rettung des Klimas. Je lauter man jetzt Klimawandel schreit, desto weniger wollen die Menschen es hören. Paradoxerweise passiert das just in der Zeit, in der die Wissenschaft immer stichhaltiger zeigen kann, welche Folgen die Erderwärmung wirklich haben wird. Doch die 5-vor-12-Apostel waren wohl ein wenig zu oft in den Schlagzeilen, sodass ihre Warnungen heute kaum jemand ernst nimmt. Auch darum ist neue Klimapolitik der kleinen, leistbaren Schritte die einzige Chance, einerseits Stillstand zu verhindern und den Ländern andererseits genug Flexibilität zu lassen, um den Klimaschutz an die jeweilige Wirtschaftslage anzupassen. Wem das schon zu viel ist, sollte sich in Österreichs Skigebieten vielleicht einmal auf die Suche nach Schnee machen. Wem das zu wenig ist, sollte sich vor Augen führen, was die bisherigen Anstrengungen, das Klima mit Geld zu ändern, gebracht haben: außer Kosten fast nichts.


Selbst das, was die UN-Klimaverhandler als größten Erfolg für sich verbuchen, ist bei näherem Hinsehen reichlich dürftig: das Klimaprotokoll von Kyoto. Die EU hat sich in Kyoto (beinahe im Alleingang) verpflichtet, ihre Emissionen von 1990 bis 2012 um acht Prozent zu reduzieren. Es ist gelungen. Aber nur, weil die Schwerindustrie im Ostblock nach der Wende „zum Glück“ implodiert ist und die damit verbundenen CO2-Reduktkionen in Form von Zertifikaten an den Westen verkauft wurden. Allein Österreich musste über eine halbe Milliarde Euro bezahlen, um sich reinzuwaschen. Das Weltklima zeigte sich davon eher unbeeindruckt. Nach Zahlen der Internationalen Energieagentur stieg der CO2-Ausstoß von 1990 bis 2010 weltweit um fünfzig Prozent, von 21 Milliarden Tonnen auf über 30 Milliarden.

Europas One-Man-Show in Sachen Klimaschutz ist also nicht nur teuer, sondern global gesehen auch wirkungslos. Der Kontinent ist gerade für ein Zehntel der weltweiten Emissionen verantwortlich. Genau hier brachte die Konferenz in Lima einen entscheidenden Fortschritt: Erstmals haben auch die großen Emittenten USA, China und Indien, die gemeinsam für mehr als die Hälfte aller weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, Reduktionen versprochen. Amerika will bis zum Jahr 2025 seine Kohlendioxidemissionen gemessen an 2005 um bis zu 28 Prozent reduzieren, China spätestens 2030 damit beginnen, seinen Treibhausgasausstoß zu senken. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, vor allem für Europa. Klimaschutz kann nur erfolgreich – und bezahlbar – werden, wenn er kein Hobby der (noch) reichen Europäer bleibt.

E-Mails an:matthias.auer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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