Immer wieder: Die Nazivergangenheit

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Österreich ist in den USA wieder Tages-Gesprächsthema. CNN, ABC News, MSNBC, selbst lokale TV-Sender wie NY1 und nahezu sämtliche Zeitungen – sie alle berichten über die Verhandlung, die Gefangenschaft, den Inzest.

NEW YORK. „Austria? Ist das nicht das kleine Land, in dem dieser Typ seine eigene Tochter im Keller eingesperrt und geschwängert hat?“ So oder so ähnlich tönt es einem derzeit wieder vermehrt entgegen, wenn man sich in den USA als Österreicher vorstellt.

Das war schon vor einem knappen Jahr so, als der spektakuläre Fall des Josef F. aus Amstetten aufflog und Zeitungen und TV-Stationen weltweit darüber berichteten. Nun, während des Prozesses in St.Pölten, stürzen sich die Medien wieder darauf und erinnern die Leute an die schlimme Tat im kleinen Österreich.

CNN, ABC News, MSNBC, selbst lokale TV-Sender wie NY1 und nahezu sämtliche Zeitungen – sie alle berichten über die Verhandlung, die Gefangenschaft, den Inzest – in vielen Fällen live aus St.Pölten oder Amstetten. Und wie schon im Vorjahr hört man in den Kneipen und Bars des Landes Diskussionen über die Gräueltat: „Wie ist es möglich, dass jemand seine Tochter 24 Jahre lang im Keller einsperrt? Hat niemand nach ihr gefragt? Ist niemandem etwas aufgefallen?“ Fragen wie diese, die auch in Österreich oft genug gestellt wurden, machen die Runde. Antworten hat keiner, nur eine weitere Frage liest und hört man immer häufiger: „Was stimmt denn da nicht in Österreich?“

Mehr Echo als Waldheim & Haider

Argumente, wonach ein derartiger Fall wohl überall passieren hätte können, wischen viele ruckartig vom Tisch. Schließlich ist den meisten Amerikanern auch Natascha Kampusch in Erinnerung. Ihr Auftauchen nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft im Sommer 2006 hat in den USA ähnliches Interesse hervorgerufen wie der Fall Amstetten. Selbst ohne Details und Hintergründe zu kennen, fragen sich nun viele: „Warum passierten diese beiden Verbrechen ausgerechnet in Österreich?“

Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren kaum andere Nachrichten aus Österreich für vergleichbare Schlagzeilen gesorgt. Blättert man etwa durch die Archive der NY Times oder des Wall Street Journals, fallen lediglich die Todesfälle von Jörg Haider oder Kurt Waldheim beziehungsweise die Verhaftung des britischen Holocaust-Leugners David Irving auf. Doch selbst über diese Ereignisse wurde nicht annähernd so umfangreich berichtet wie über die Kriminalfälle um Natascha Kampusch oder Josef F.

Um das möglicherweise Unerklärbare erklärbar zu machen, verweisen manche US-Medien – genauso wie viele britische Zeitungen und TV-Stationen – immer wieder auf die Nazi-Vergangenheit Österreichs. Zwar kommentieren Zeitungen regelmäßig, dass ein derartiger Zusammenhang wohl nicht bestehe und dass es auch anderswo ebenso grausame Verbrechen gebe. Ein Teil der US-Amerikaner lässt sich davon aber nicht überzeugen und wird auch in Zukunft zunächst an Natascha Kampusch oder den Fall Amstetten denken, wenn von Österreich die Rede ist. Und an den Nationalsozialismus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2009)

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