Muslimische Organisationen setzen auf Konfrontation mit der Regierung wegen des geplanten Gesetzes. IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac will von einem Rücktritt nichts wissen.
Die viel beschworene Harmonie wird brüchig: Österreichs Muslime gehen zunehmend auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung und ihrem Entwurf zum neuen Islamgesetz. Am Montag meldete sich der Oberste Rat, das höchste geschäftsführende Organ der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) zu Wort – mit einem Protest gegen den Beschluss. Man sei enttäuscht über die Vorgangsweise der Regierung, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung des Obersten Rats und des IGGiÖ-Präsidenten Fuat Sanac. Das Vorgehen „entspricht weder der für Österreich üblichen politischen Kultur einer modernen Demokratie, noch ist dies mit einem Mindestmaß an Respekt gegenüber den vom Gesetz Betroffenen zu vereinbaren“.
Im Gespräch mit der „Presse“ präzisiert Sanac, dass es sich vorerst nur um einen Protest handle. Einen Beschluss werde man erst bei einer Sitzung des Obersten Rats am Mittwoch und einer des Schurarats am Sonntag fassen. Rechtlich gibt es allerdings keinen Anspruch darauf, dass noch etwas davon in das neue Islamgesetz einfließen wird. „Wir werden auf die Antwort warten“, sagt Sanac. „Und wir gehen davon aus, dass noch einige Punkte geändert werden können.“ Tatsächlich hört man aber seit Längerem aus Regierungskreisen, dass von den Eckpunkten des Gesetzes, das am 21. Jänner im Nationalrat behandelt werden könnte, nicht mehr abgerückt wird.
Druck auf die Regierung will auch ein Bündnis aus zahlreichen muslimischen Vereinen aufbauen, das für Dienstag eine Pressekonferenz angesetzt hat. „Die Muslime fühlen sich übergangen“, sagt Yakup Gecgel von der Islamischen Föderation, einem der großen muslimischen Dachverbände. Dabei geht es einerseits um inhaltliche Kritik am neuen Islamgesetz – vom Verbot der Auslandsfinanzierung bis zum Recht des Bundeskanzlers, einzelne Religionsgesellschaften auflösen zu dürfen. Andererseits will man aber auch die Vorgangsweise der Regierung kritisch hinterfragen. „Wir wollen nicht zulassen“, sagt Gecgel, „dass Muslime zur Propaganda für den Wahlkampf gemacht werden.“
Rücktritt: Kein Thema
Keine Rolle soll bei dem Termin die Rolle von IGGiÖ-Präsident Sanac spielen. „Wir stehen hinter der IGGiÖ und hoffen, dass es ein positives Ende gibt“, sagt Gecgel. Ob und wie lang es bei diesem demonstrativen Zusammenhalten bleibt, ist allerdings offen. Denn zuletzt ist die Kritik am Agieren des Präsidenten immer lauter geworden. Dabei ist es vor allem die Muslimische Jugend (MJÖ), die innermuslimisch für besonders heftigen Druck sorgt.
Am Montag warfen ihm Vertreterinnen der Organisation in einer Pressekonferenz erneut ein Versagen in den Verhandlungen vor und forderten seinen Rücktritt. Sanac, so der Vorwurf, habe „im Geheimen und unter Missachtung seiner Gremien über ein neues Islamgesetz verhandelt“. Gleichzeitig wird ihm vorgeworfen, gegenüber der Regierung „zahnlos und zahm“ aufzutreten, intern dagegen „umso autoritärer und einschüchternder“ aufzutreten. MJÖ-Vertreterin Dudu Kücükgöl spekulierte, dass Sanac schlicht überfordert sein könnte.
Sanac selbst will im Gespräch mit der „Presse“ von einem Rücktritt nichts wissen. Die MJÖ habe bei den jüngsten Wahlen nur einen einzigen Delegierten aufgebracht und nur durch ihn, Sanac, einen Platz im Obersten Rat bekommen. Genau dort solle man sich auch den inhaltlichen Debatten widmen. Die Position des Präsidenten werde jedenfalls nicht durch Zuruf von außen bestimmt, sondern durch eine demokratische Wahl. Dass es auch von den Vorsitzenden der Religionsgemeinden Oberösterreich und Salzburg Forderungen nach seinem Rücktritt gegeben hat, kommentiert Sanac damit, dass es sich um „private Meinungen“ handle, die per Facebook verbreitet wurden. Dies entspreche weder der IGGiÖ-Verfassung, noch einem ordentlichen Vorgehen. „Das ist inakzeptabel.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. Dezember 2014)