Meinl-Bank-Anwalt: "Die Anklage ist eine Chuzpe"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Er verstehe Kritik an der „Optik“ der 225-Mio.-Dividende. Für eine Anklage gebe es aber keinen Grund, so Meinl-Anwalt Georg Schima.

Die Presse: Der Weisenrat des Justizministeriums stimmte vergangene Woche der Anklage des Bankers Julius Meinl wegen des Verdachts der Untreue zu. Hat Sie die Entscheidung überrascht?

Georg Schima: Ja, das hat sie, denn offenbar haben die Spitzenjuristen des Ministeriums und auch die Generalprokuratur eine Anklage kritisch gesehen oder abgelehnt. Überrascht war ich auch deshalb, weil eine juristische Entscheidung – und eine solche soll dieses Gremium ja fällen – so nicht hätte ausfallen dürfen. Und eine politische, die vielleicht damit liebäugelt, den Eindruck zu vermeiden, man würde es vermögenden Personen hierzulande leichter machen, darf der Weisenrat nicht fällen. Eine Begründung für seine Entscheidung hat er nicht (öffentlich) abgegeben. Der Prozess ist intransparent. Dennoch sollte immer noch die Faustregel gelten, dass es zu einer Anklage nur kommen darf, wenn die Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Davon kann man aber, wenn man sich an rechtlichen Kriterien orientiert, keinesfalls ausgehen.


Als Anwalt der Meinl Bank müssen Sie das sagen. Haben Sie fachliche Zweifel an der Kompetenz der Mitglieder des Weisenrates?

In dem Weisenrat sitzen lauter Strafrechtsexperten. Das Problem ist jedoch, dass es in diesem Fall in erster Linie um bilanzrechtliche und nicht um strafrechtliche Fragen geht. Kein Mitglied ist für die Lösung bilanzrechtlicher Fragen wirklich kompetent. Ein anderer Punkt ist, dass der Sachverhalt, den die Staatsanwaltschaft dort serviert hat, ein tendenziöser ist. Vieles hängt von der Beurteilung der Frage ab, mit welchen künftigen Risken der Vorstand der Bank zum Bilanzstichtag, dem 31. 12. 2008, rechnen musste. Da werden Räubergeschichten aufgetischt. Anhand der Fakten kann man sie zwar relativ leicht falsifizieren; jemanden, der sich jedoch nicht so reflektiert mit der Sache auseinandergesetzt hat, kann man vielleicht glauben machen, der Vorstand hätte eine andere Risikovorsorge treffen müssen.


Der kolportierte Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet kurz gesagt, die Dividende sei aufgrund eines falschen Jahresabschlusses ausgeschüttet worden.

Und schon diese Prämisse ist grundfalsch. Der Jahresabschluss 2008 war richtig. Die Bank hat für die Anlegerrisken jene Rückstellungen gebildet, die sie bilden musste, und zwar in einem sehr großzügigen Ausmaß. Konkret heißt das: Für Anspruchsschreiben in der Höhe von 18,4 Mio. Euro und Klagen in der Höhe von vier Mio. wurden zehn Mio. Euro rückgestellt. Nicht einmal die Staatsanwaltschaft bestreitet, dass das ausreichend war. Noch dazu konnte man nach der damaligen Rechtslage von einer viel höheren Erfolgswahrscheinlichkeit ausgehen. Diverse OGH-Urteile gab es zum Zeitpunkt der Ausschüttung noch nicht.


Der OGH entschied schon am 22. Jänner 2009, dass die Aussagen in Verkaufsprospekten für Meinl-European-Land-Zertifikate irreführend waren und dass die Werbung der Bank zuzurechnen ist. Dieses Urteil musste doch allen in der Bank Sorgen gemacht haben?

Dieses Urteil des OGH war zum Bilanzstichtag und auch zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung der Bank noch nicht zugestellt. Es hätte aber auch nichts geändert, weil es nur eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung ohne verbindliche Kraft für einzelne Fälle war. Andere Unternehmen haben in vergleichbarer Lage wegen ungewissen Prozessausgangs gar keine Rückstellungen gebildet.

Aber es war Anfang 2009 klar, dass man sich auf Klagen in Millionenhöhe gefasst machen muss.

Das reicht aber nicht für die Bildung einer Rückstellung. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon 1991 gesagt, dass Pauschalrückstellungen für künftige Risken – auch wenn es um vergleichbare Sachverhalte geht – nicht gebildet werden dürfen, wenn man sie nicht kalkulieren kann und es dazu keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit gibt. Im Übrigen geht es nicht um die Wahrscheinlichkeit, geklagt zu werden, sondern um jene, tatsächlich zahlen zu müssen.

Rechtlich war also aus Ihrer Sicht nicht mehr Vorsicht und Sorgfalt geboten?

Das Gesetz regelt genau, für welche Risken ich Rückstellungen bilden muss und enthält ein Rückstellungsverbot für alle Risken, die nicht darunter fallen. Hätte die Bank die Bilanz so erstellt, wie es die Staatsanwaltschaft verlangt, dann wäre sie falsch gewesen.

Sie sagen, hätte der Vorstand in Höhe der ausgeschütteten Sachdividende Rückstellungen gebildet, hätte er sich strafbar gemacht?

Ja, denn nach dem Aktiengesetz ist eine Überdotierung genauso unzulässig wie eine Unterdotierung. Selbst wenn man diese – nicht nur – meine Rechtsüberzeugung nicht teilt, frage ich mich, wie man bitte auf den qualifizierten Vorsatz kommen will, der für das Delikt der Untreue Voraussetzung ist. Das muss mir noch jemand erklären. Da der Jahresabschluss korrekt war, ist natürlich auch betrügerische Krida (§ 156 StGB) denkunmöglich.

Ein anderer Vorwurf lautet, der Vorstand hätte jedenfalls freie Gewinnrücklagen bilden müssen. Wieso ist das nicht passiert?

Auch dieser Vorwurf ist unberechtigt. Rücklagen sind kein Surrogat für Rückstellungen! Wenn ich für ein Risiko schon keine Rückstellungen bilden darf, kann es nicht sein, dass ich dafür eine Rücklage bilden muss. Das ist nicht argumentierbar. Das erschließt sich hoffentlich dem Hausverstand.

Mir hat sich noch nicht erschlossen, weshalb man sich Anfang 2009 zur Ausschüttung einer Sonderdividende in der Höhe von 225 Mio. Euro entschlossen hat. Wie gesagt, eine Flut von Anlegerklagen war für jeden ersichtlich im Anrollen.

Ich verstehe die Bedenken gegen die Optik, sie reichen aber nicht aus, um ein Strafverfahren einzuleiten. Als Aktionär hat man Anspruch auf den Gewinn, und die Kapitalisierung der Bank war auch nach der Ausschüttung weit überdurchschnittlich gut. Dass die beteiligten Personen im Zuge des Verfahrens den Glauben an den österreichischen Rechtsstaat verloren haben, kann ich schon nachvollziehen. Vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, was dann noch alles kam. Als Eigentümer würde ich in so einer Situation auch so agieren und nichts in Österreich lassen, was nicht unbedingt sein muss.

Zur Person

Der Rechtsanwalt Georg Schima ist Partner der Kanzlei Kunz Schima Wallentin. Er ist einer der Anwälte der Meinl-Bank. Den entlassenen Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann vertritt er gegen das Burgtheater.

Schima ist Honorarprofessor für Unternehmens- und Arbeitsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und Autor von zahlreichen Fachpublikationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2014)

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