Die Betroffenen haben ein Recht auf Recherche

Wer keine Erklärung hat, muss eine suchen.

Dass Skandale Kollateralschäden verursachen – die Kärntner Milchwirtschaft kann davon ein Lied singen – ist bekannt. Doch manchmal haben Skandale auch „Begleitnutzen“: Im Strudel des öffentlichen Interesses werden da Fakten an die Oberfläche gespült, die es schon lange verdient hätten, dass man sich mit ihnen beschäftigt. Und bei denen man sich dann erstaunt fragt: Warum nur hat sich das bisher noch niemand angeschaut?

Etwa die statistische Tatsache, dass die Region rund um das Görtschitztal die höchste Krebsrate in Österreich aufweist. Und nicht nur das: Offenbar ist es unter den Einwohnern in der Gegend kein Geheimnis, dass es mehrere Familien gibt, die fast komplett von einem bestimmten Krebs betroffen sind, dem Schilddrüsenkrebs, für den wiederum ein Zusammenhang mit HCB, aber auch radioaktiver Belastung bekannt ist.

Was nicht heißt, dass dieser Zusammenhang im Anlassfall auch besteht. Mediziner betonen zu Recht, dass man die Rechnung „Umweltgift X führt zu Krankheit Y“ so simpel nicht anstellen darf, und dass die Datenqualität zu Krebserkrankungen bundesweit unterschiedlich ist. Diese Einwände der Experten sind wichtig, denn für sinnlose Panik ist das Thema zu ernst.

Trotzdem: Was macht man mit diesen Daten, die - Skandal sei Dank – nun auf dem Tisch liegen. Soll man sie dort ruhen lassen? Sicher nicht. Denn nur weil man etwas (noch) nicht erklären kann, heißt das nicht, dass man es erst gar nicht versuchen muss. Der Skandal sollte ein Anlass sein, offene Fragen spät, aber doch mit einer gründlichen Suche nach Antworten zu würdigen. Das haben sich die Betroffenen verdient.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18. Dezember 2014)

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