Eine wolkige EU-Resolution macht noch keinen Palästinenserstaat

Europa bewies seltsamen Sinn für Timing: Der EuGH strich die Hamas von der Terrorliste, und das EU-Parlament unterstützte die Anerkennung Palästinas.

Mutwille soll hier gar nicht unterstellt werden. Wahrscheinlich handelt es sich einfach nur um eine eklatante Form politischer Ignoranz, ja Dummheit. Ausgerechnet an demselben Tag, an dem sich das EU-Parlament für die Anerkennung eines palästinensischen Staates aussprach, strich der Europäische Gerichtshof die Hamas aus formalen Gründen von der Terrorliste. Das absurde Datum der Urteilsverkündung lässt fast schon den Verdacht aufkommen, dass der EuGH seinen Sitz nicht in Luxemburg hat, sondern irgendwo außerhalb von Raum und Zeit.

Warum sich in dem seit September 2010, also seit mehr als vier Jahren, laufenden Verfahren kein anderer Termin finden ließ, kann außerhalb der Gänge des Palais de la Cour de Justice kein vernünftiger Mensch nachvollziehen. Der symbolische Gesamteindruck, der zusammen mit dem Votum des EU-Parlaments entsteht, ist jedenfalls fatal: Niemand muss sich wundern, wenn sich Israelis nach diesem Mittwoch schwerer denn je tun, die EU als außenpolitischen Akteur ernst zu nehmen.

Doch der EuGH erhielt auch frohlockenden Zuspruch, von der Hamas nämlich, die sich artig bedankte und gleich einmal einen „Sieg für die palästinensische Sache“ ausrief. Eine solche Gelegenheit, die Propagandaposaune auszupacken, lassen sich die radikalen Islamisten nicht entgehen, auch wenn sie sich zu früh freuen. Denn das Gericht in Luxemburg wusch die Hamas nicht weiß, sprach sie nicht frei vom Terrorvorwurf, sondern beanstandete lediglich Verfahrensfehler. Die EU habe nicht ausreichend begründet, warum es sich bei der Hamas um eine terroristische Vereinigung handle, sondern sich bei dieser Bewertung auf Medien und das Internet gestützt.

Die Sanktionen bleiben ausdrücklich aufrecht, die Konten eingefroren, zumindest die nächsten drei Monate. So lang hat die EU Zeit, Einspruch zu erheben und den offensichtlichen Umstand, dass die Hamas terroristisch agiert, sorgfältiger darzulegen. Das wird nicht schwer zu bewerkstelligen sein: Die Hamas und ihre militärischen Flügel bekannten sich zu Dutzenden Terroranschlägen, zu unzähligen Raketenangriffen auf israelische Zivilisten. Bis heute ist die Zerstörung Israels ihr erklärtes Ziel; in ihrer Charta wimmelt es von antisemitischer Hetze. Nach wie vor trotzt die islamofaschistische Gruppierung internationalen Aufrufen, Israel sowie die bisherigen Friedensvereinbarungen unmissverständlich zu akzeptieren und auf Gewalt zu verzichten.

Die EU-Kommission hat noch am Mittwoch bekräftigt, dass die Hamas kein Bienenzüchterverein, sondern eine Terrororganisation ist. Hoffentlich langt bald auch die dazugehörige Dokumentation bei der Richterschaft in Luxemburg ein.


Ebenso wenig Substanz wie das Hamas-Urteil des EuGH hat die Resolution des Europaparlaments zu Palästina. Aus dem verwässerten Text, dem nichtssagenden Ergebnis eines Kompromisses zweier entgegengesetzter Positionen, kann jeder herauslesen, was er will. „Das Europäische Parlament unterstützt grundsätzlich die Anerkennung der palästinensischen Eigenstaatlichkeit und die Zweistaatenlösung und ist der Auffassung, dass diese mit der Weiterführung der Friedensgespräche einhergehen soll“, heißt es in der Schlüsselpassage, die unbestimmt bis zur Unverständlichkeit ist. Das linke Lager wähnt darin wohlig die symbolische Taufe Palästinas und ein Signal an Israels Premier, den Friedensprozess nicht durch den Ausbau jüdischer Siedlungen zu torpedieren. Die EVP hingegen sieht sich durch den Satz in ihrer Haltung bestätigt, dass die Anerkennung eines palästinensischen Staates erst am Ende eines noch so mühsamen Verhandlungsprozesses mit Israel erfolgen kann. Realpolitisch liegt die Bedeutung des Beschlusses bei exakt null.

Wirklichkeit wird ein palästinensischer Staat nicht durch pathetische Resolutionen, sondern durch harte Kompromisse über den Grenzverlauf, über Gebietstausch, die Auflösung jüdischer Siedlungen, die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge und einen Friedensvertrag. Frieden aber können Israelis und Palästinenser nur selbst schließen, sonst niemand, auch nicht die wohlmeinendsten Europäer.

E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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