EuGH streicht Hamas von Terrorliste der EU

A Palestinian member of al-Qassam Brigades, the armed wing of the Hamas movement, displays a weapon during a military parade in Gaza City
A Palestinian member of al-Qassam Brigades, the armed wing of the Hamas movement, displays a weapon during a military parade in Gaza City(c) REUTERS (SUHAIB SALEM)
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Die EU hat ihre Sanktion gegen die Palästinenser-Organisation nicht ausreichend begründet, urteilen die Richter. Das EU-Parlament spricht sich „grundsätzlich“ für Anerkennung Palästinas aus.

Brüssel. Kein Frieden ohne die Hamas – diese Botschaft richtete Ghazi Hamad, der stellvertretende Außenminister der von der EU als terroristisch eingestuften Organisation, Mittwochnachmittag an die Hohe Außenbeauftragte der Union, Federica Mogherini. „Ich lade Frau Mogherini ein, nach Gaza zu Gesprächen zu kommen“, sagte Hamad gegenüber dem Nachrichtenportal EU-Observer, „und ich hoffe, dass wir einen neuen Kanal für politischen Dialog eröffnen können“.

Dass die Hamas gestern in die Rolle des gesprächsbereiten Brückenbauers im Nahost-Konflikt schlüpfen konnte, hat sie dem Europäischen Gerichtshof zu verdanken. Gestern Früh erklärten die Luxemburger Richter den seit 27.Dezember 2001 geltenden Beschluss des Rats der Europäischen Union, die Hamas als Terrorgruppierung einzustufen, für rechtswidrig.

Die Begründung des EuGH-Urteils (Rechtssache T-400/10) kommt einer schallenden Ohrfeige für die EU-Mitglieder gleich: Der Rat habe seine Entscheidung nicht auf Tatsachen gestützt, sondern auf Fakten, „die der Presse und dem Internet entnommen“ wurden. Die Frage, ob die Hamas eine Terrorgruppe ist oder nicht, klammerten die Richter bewusst aus – und sie hoben die derzeit geltenden europäischen Sanktionen nicht auf, sondern gewährten der EU eine dreimonatige Übergangsfrist, „um die Wirksamkeit etwaiger künftiger Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern zu gewährleisten“, sollte die EU das Urteil beanstanden bzw. andere Gründe anführen. Für die EU-Kommission steht jedenfalls fest, dass die Hamas nach wie vor als Terrororganisation zu sehen ist. Das EuGH-Urteil sei aus Verfahrensgründen getroffen worden, sagte eine Sprecherin gestern, Brüssel prüfe nun eine eventuelle Berufung gegen den Richterspruch.

498 für, 88 gegen Anerkennung

Für die israelische Regierung, die Brüssel umgehend dazu aufforderte, die Hamas erneut als Terrorgruppe zu deklarieren, war das EuGH-Urteil nur der erste Rückschlag. Wenige Stunden nach der Entscheidung der Luxemburger Richter erreichte die nächste Hiobsbotschaft Jerusalem – diesmal aus Straßburg, wo sich das Europaparlament für die Aufnahme Palästinas in die Staatengemeinschaft ausgesprochen hat. Zwar hat der Entschließungsantrag keine bindende Wirkung, doch das politische Signal fiel eindeutig aus: 498 Europaabgeordnete stimmten für die Resolution, lediglich 88 waren dagegen.

Dass der Zuspruch derart stark ausgefallen ist, hat auch damit zu tun, dass der Text vergleichsweise zahm ausgefallen ist. Denn die Abgeordneten unterstützen die Anerkennung Palästinas nur „grundsätzlich“ und im Kontext der „Weiterführung der Friedensgespräche“. Anders als die Parlamente in Irland, Spanien, Großbritannien und Frankreich, die ihre Regierungen (symbolisch) aufgefordert hatten, Palästina anzuerkennen – ein Schritt, den die schwedische Regierung bereits gesetzt hat. Die Europäische Volkspartei, die im Europaparlament die meisten Mandate hält und den Antrag unterstützt hat, teilte in einer Aussendung mit, dass sie für eine „bedingungslose“ Anerkennung nicht zu haben sei – ein derartiger Schritt müsse „Hand in Hand“ mit der Fortführung der Friedensgespräche gehen, hieß es.

Im Wiener Außenministerium sieht man die Angelegenheit ähnlich und will von einer raschen Aufnahme Palästinas als Vollmitglied bei den Vereinten Nationen nichts wissen. Keine Anerkennung ohne Friedensverhandlungen, hieß es gestern aus dem Kabinett von Sebastian Kurz. Die SPÖ hingegen kann sich die Anerkennung eines Palästinenserstaats als „letzten Schritt“ vorstellen, wenn es keine neuen Friedensbemühungen gebe, ließ Josef Cap, der außenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, wissen – und kritisierte bei der Gelegenheit den israelischen Premier, Benjamin Netanjahu: „Ich unterstelle ihm, dass er die Zwei-Staaten-Lösung nicht will.“ Auch Bundespräsident Heinz Fischer schloss „mittelfristig die Anerkennung durch Österreich nicht aus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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