Spielautomaten: Warten auf die letzte Runde

Clemens Fabry / Die Presse
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Ab Jänner sind Automaten in Wien verboten. Während sich die Finanzpolizei für Razzien rüstet und Konzerne drohen, herrscht in Glücksspiel-Meilen Warten und Bangen.

Wien. Die schwere, schwarz verklebte Tür trennt die Adventlichter der Mariahilfer Straße von einer finsteren Höhle. Kalter Rauch, neugierige bis skeptisch musternde Blicke. Drückende Stille, bis auf den Ton vom Bundesligaspiel, das die Männer schauen, und das Klingeln des Automaten, in den eine gepflegte Mittfünfzigerin, Martha, Münze um Münze rasseln lässt.

Das Fußballspiel interessiert sie nicht, die blinkenden Früchte auf dem Schirm des einarmigen Banditen dafür sehr. Zwei, drei Mal pro Woche spiele sie, lieber aber tagsüber. Abends sind ihr zu viele Männer hier. Tagsüber kommen nur die Spieler. Der Mann im Wettlokal in der Hütteldorfer Straße, der täglich auf seiner Morgenrunde mit dem Hund auf ein paar schnelle Spiele hereinkommt – das Mineral dazu wird im wortlos hingestellt – oder Spielerinnen, die schon vormittags in einem Lokal in Ottakring sitzen. Frauen wie Martha. Ein Suchtproblem will sie, wie so viele, nicht haben. Trotzdem, zum Schutz der laut Schätzungen bis zu 40.000 Menschen in Wien, die von Spielsucht betroffen sind, wird die verrauchte Welt des kleinen Glücksspiels in Wien ab 1. Jänner verboten. Legal an Automaten spielen kann man dann in Wien nur noch im Casino.

Die Wettlokale oder Beiseln, die ihr Geld mit Automatenspielern machen, oder die Zweier-Kabäuschen, die sich Tür an Tür reihen, müssten ihre Automaten abbauen oder zusperren. Eigentlich. „Im Jänner? Ja, voraussichtlich geht es bei uns weiter. Einmal hört man das, einmal das“, sagt der Mann hinter der Theke des Admiral-Cafés in der Ottakringer Straße. „Wird sich weisen“, meint ein anderer, der in seinem Beisl nahe der Stadthalle Automaten stehen hat. „Ganz verbieten können's es nicht“, sagt er, zwinkert. „Verstehst?“
Auch Platzhirsch Novomatic – zum Konzern gehören rund 1500 Automaten in Wien – wehrt sich: mit einem Privatgutachten, demnach Lizenzen auch über 1. Jänner hinaus gültig seien, mit – „Die Presse“ berichtete – angedrohten Klagen gegen Stadt Wien und Republik. Oder mit einem Brief an die zuständige Stadträtin Ulli Sima, den man als Drohgeste werten könne, wie ein Sprecher Simas sagt.

Angst um blühendes Geschäft

Clemens Fabry / Die Presse

Denn es geht um viel Geld. Rund 2700 Automaten stehen legal in Wien, je ärmer die Gegend, desto mehr: Reinprechtsdorfer Straße, Ottakringer Straße, Hütteldorfer Straße, Hernalser oder Simmeringer Hauptstraße sind die Glücksspielmeilen. 5000 bis 10.000 Euro Ertrag pro Monat bringt ein Gerät, die Abgabe macht in Wien 1400 Euro pro Monat aus. Das Geschäft blüht.

Doch ab Jänner geht es um empfindliche Strafen: Die reichen von 1000 Euro (Ersttäter mit weniger als drei Automaten) bis zu 60.000 Euro (Wiederholungsfall bei mehr als drei Automaten), wie Wilfried Lehner, der Leiter der Finanzpolizei, erklärt. Er rüstet sich derzeit für eine Schwerpunktaktion im Jänner, zu der er Beamte aus ganz Österreich zusammenziehen wird. „In den ersten Wochen werden wir sicher einige hundert Geräte aus dem Verkehr ziehen. Dann wird auch die Industrie reagieren“, sagt er. Zusätzlich zur Anzeige werden die Beamten illegale – und ein paar tausend Euro teure – Geräte versiegeln, beschlagnahmen und verschrotten lassen. Schon jetzt rüsten sich Anbieter für Kontrollen: Neuerdings sind viele Zweierkabäuschen erst nach Fingerprint zugänglich. Vorgeblich, um Minderjährige abzuhalten – die Finanzpolizei vermutet andere Motive.

Wird das kleine Glücksspiel in die Illegalität verschwinden? Schon jetzt vermutet man in Wien bis zu 700 illegale Automaten in Hinterzimmern von Beiseln oder an Orten, an denen es Zutritt nur nach Gesichtskontrolle gibt. Ob das illegale Geschäft nach dem Verbot explodiert, lässt sich laut Experten nicht sagen. Das hänge auch von strengen Kontrollen ab. Und was sagen die Spieler? Sie werde „wohl schon“ weiterspielen, sagt Martha, sie kenne da Orte, sagt sie, wirft eine Münze ein und lässt blinkende Früchte rotieren.

Auf einen Blick

Ab 1. Jänner 2015 ist in Wien das kleine Glücksspiel, also das an Slotmaschinen oder einarmigen Banditen, außer in Spielcasinos verboten. Verschwinden werden die Automaten aber nicht, Marktführer Novomatic kämpft derzeit mit Rechtsmitteln um sein Millionengeschäft. In den Spiellokalen herrscht beim Lokalaugenschein zwei Wochen vor Inkrafttreten des Verbots Ratlosigkeit. Die Finanzpolizei bereitet indes Razzien vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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