Globale Erwärmung: Die Klimawandel-Missionare aus Brüssel

Die EU sieht sich als globale Vorreiterin beim Klimaschutz. Das nötigt ihr seltsame politische Taktiken ab.

BRÜSSEL.Wenn man mit EU-Vertretern über den Klimawandel spricht, hört man spätestens als zweiten Satz die zufriedene Selbsteinschätzung, Europa sei tonangebend in der Klimaschutzpolitik.

Da trifft es sich gut, dass die EU (also Kommission und 27 Mitgliedstaaten zusammen) 60 Prozent der gesamten Entwicklungshilfe der Welt leistet. Wer in 160 armen Ländern so eine gewichtige Rolle spielt, der wird doch wohl diese Länder – vom „failed state“ der Zentralafrikanischen Republik bis zur Wirtschaftssupermacht China – mit gutem Vorbild, dickem Geld und sanftem Druck dazu bewegen können, ihre Lebensweise klimafreundlicher zu gestalten?

So einfach geht die Rechnung nicht auf, wie im Laufe eines von Europeaid, der Entwicklungshilfeabteilung der Kommission, bezahlten Seminars klar wurde, an dem „Die Presse“ teilgenommen hat. Erstens steckt Europeaid laut Generaldirektor Koos Richelle nur 400 bis 500 Mio. Euro seines Jahresbudgets von acht Mrd. Euro in Klimaschutz, also bestenfalls 6,25 Prozent der gesamten Entwicklungshilfe. Und zweitens zeitigt sogar dieses bescheidene Engagement negative Folgen für die außenpolitischen Interessen der EU.

So organisiert die EU am 30. und 31. März einen Workshop über die Finanzierung von CO2-reduzierenden Technologien für die postsowjetischen Staaten in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Der Grund: Nach Minsk kann man ohne Visum reisen – zwischen etlichen anderen Staaten, welche die EU zum Klimaschutz motivieren möchte, herrscht hingegen Eiszeit, etwa zwischen Russland und Georgien. Da ist es nicht förderlich, dass der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko – auch bekannt als „letzter Diktator Europas“ – jüngst keine Zeit hatte, EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner zu empfangen. Man hätte ja zart über Menschenrechte oder Ähnliches parlieren können.

Es geht um politischen Druck

Fraglich ist, wieso die EU auch beim Klimaschutz Geld per Gießkanne über 160 Staaten tröpfelt, statt sich auf jene Staaten und Industrien zu konzentrieren, die besonders viele Treibhausgase ausstoßen: die ukrainische Stahlindustrie etwa oder die Viehzucht in Südamerika. Die Antwort darauf möchte kein EU-Beamter verbunden mit seinem Namen in der Zeitung lesen, denn sie lautet so: Bei den Klimaschutzprojekten der EU im Rahmen ihrer Entwicklungshilfe geht es weniger um ökologische oder ökonomische Wirksamkeit, sondern um politischen Einfluss. So finanziert die EU Solaranlagen und Windräder auf 16 pazifischen Inselstaaten nicht deshalb, weil das den Klimawandel stoppt. Sondern weil jedes der 16 Länder eine Stimme in den UN-Gremien hat, in denen Klimakonventionen beschlossen werden wie das Kyoto-Protokoll und sein Nachfolger ab dem Jahr 2013, über das im Dezember in Kopenhagen gestritten wird.

„China baut alle zwei Wochen ein Kohlekraftwerk. Man bräuchte Milliarden, um das zu ändern. Die hat die EU nicht“, brachte das ein EU-Beamter unter der Bedingung auf den Punkt, nicht namentlich genannt zu werden. So hofft die EU, durch Projekte wie die 100 Mio. Euro teure Aufforstung von Regenwald im überschaubaren Honduras die Stimmen kleiner Länder zu gewinnen, um in der UNO Rückenwind für ihre Klimaschutzpolitik zu bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2009)

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