Wien ist bei der Kultur extrem kleinmütig geworden

Dem Staat sind 20 Millionen Euro für das neue Weltmuseum zu viel.

Die Wiener Ringstraße feiert 2015 ihr 150-Jahr-Jubiläum. Die Grundstücke auf dem Areal der ehemaligen Befestigungsanlagen der Stadt wurden damals an Wohlhabende für ihre Palais verkauft und damit die staatlichen Repräsentationsbauten finanziert – ein Geniestreich. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden die Bundesmuseen mit viel Steuergeld saniert, auch ein Geniestreich. Der Wirtschaftsstandort profitiert, der Tourismus floriert. Inzwischen ist man viel kleinmütiger geworden. Jüngstes Beispiel ist das Weltmuseum: Seit bald 15Jahren wird die Neugestaltung des früheren Völkerkundemuseums hinausgeschoben. Der letzte Stand ist, dass die budgetierten 20Millionen Euro zwischen dem Weltmuseum und einem auch seit vielen Jahren diskutierten Haus der Geschichte aufgeteilt werden sollen. Für beide Projekte wird das Geld kaum reichen, also werden wohl beide erneut auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

In letzter Zeit wurden bei Kulturbauten in Europa die Kosten gewaltig überschritten, bei der Hamburger Elbphilharmonie und beim eben eröffneten neuen Musée des Confluences in Lyon, einer Sammlung mit naturkundlichen, ethnologischen und technischen Objekten. Architektur ist öffentlich und bietet daher immer beliebten Zündstoff für Kulturkampf. Man erinnere sich an den Streit um das heute blühende Wiener Museumsquartier.

Politiker haben weder auf negative öffentliche Aufmerksamkeit noch auf Finanzdebakel Lust. Aber sie lieben es, neue Bauten, besonders Kulturbauten, zu eröffnen, das sichert Ruhm.

Kulturminister Josef Ostermayer scheint vor solchen Versuchungen gefeit zu sein. Eine Möglichkeit wäre, dass sich das Weltmuseum selbst etwas einfallen lässt, wie z.B. Klaus Albrecht Schröder bei der Albertina, er zog die Renovierung durch und trieb von Mäzenen Gelder auf. Doch Weltmuseum-Chef Steven Engelsman scheint allmählich zu resignieren. Ein Weltmuseum hat in der heutigen Migrationsgesellschaft eine große Aufgabe: die Integration zu fördern. Ostermayers Verzögerungstaktik ist politisch unklug. Im repressiven Habsburger-Reich gab es mehr konstruktive Ideen für größere Bauvorhaben als in der Demokratie des 21.Jahrhunderts – wer hätte das gedacht?

E-Mails an:barbara.petsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2014)

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