Lebenslänglich: Josef F. akzeptiert

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Das Gericht hat den 73-Jährigen des Mordes, der Sklaverei, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schweren Nötigung und Blutschande schuldig befunden. F. hat das Urteil angenommen.

St. Pölten. Josef F. bleibt wohl für den Rest seines Lebens im Gefängnis. Die Geschworenen haben den 73-Jährigen am Donnerstag einstimmig des Mordes, der Sklaverei, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schweren Nötigung und Blutschande schuldig gesprochen und ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt. Sowohl F. als auch Staatsanwältin Christiane Burkheiser haben das Urteil angenommen, es ist damit rechtskräftig.

Der Entscheidung war in den Schlussvorträgen ein Ringen um den Gehalt des am Mittwoch überraschend abgelegten Mordgeständnisses vorausgegangen. Nicht weniger als zwölf Justizwachebeamte führen Josef F. zum letzten Mal in den Schwurgerichtssaal das Landesgerichts St. Pölten. Staatsanwältin Christiane Burkheiser wirft ihm vor, er habe seinen neugeborenen Sohn Michael im Mai 1996 im Verlies sterben lassen, habe es vorsätzlich unterlassen, das Kind in ein Spital zu bringen. Obwohl – das geht auch aus einem Gutachten hervor – „jeder Laie feststellen hätte können, dass dieses Kind mit dem Tode ringt, 66 Stunden lang“. Unter dem Eindruck der per Video abgespielten Zeugenaussage seiner Tochter sei Josef F. am Dienstagabend „innerlich zusammengebrochen“, erklärt Verteidiger Rudolf Mayer. Dies auch deshalb, da die 42-Jährige höchstpersönlich im Gerichtssaal anwesend war.

Elisabeth F. – ihr Martyrium im Verlies in Amstetten dauerte 24Jahre – war streng abgeschirmt mit Begleitpersonen während einer Prozessphase, in der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, ins Gericht gekommen. Anwalt Mayer: „Er hat sie dort sitzen gesehen.“ Bitterer Seitenhieb: „Das hat das Gericht gut gemacht. Mein Mandant war erschüttert.“

„F. will andere manipulieren“

So sei es auch zu dem „Geständnis“ gekommen. Rein formal legte Josef F. ein Schuldbekenntnis in allen Punkten (Mord, Sklaverei, Vergewaltigung, Freiheitsentziehung, schwere Nötigung, Blutschande) ab, dabei drückte er sich etwa so aus: „Ich war der Meinung, dass er (sein Sohn, Anm.) es durchsteht.“

Dass derartige Formulierungen nicht gerade das sind, was der Gesetzgeber unter einem „reumütigen“ Geständnis verstehe, prangert die Staatsanwältin in drastischen Worten an: „Es ist gar kein Geständnis, sondern der Versuch, aus einer vorgetäuschten Schwäche für sich selbst eine Stärke zu ziehen“, aber: „Jetzt ist der Vorhang gefallen, er hat uns sein wahres Gesicht gezeigt. Er will andere manipulieren.“ Nun versuche er es eben bei den Geschworenen.

Ins selbe Horn stößt die vor überfülltem Auditorium fast unhörbar leise sprechende Opfer-Anwältin Eva Plaz. Sie vertritt Elisabeth F. und hat eine Botschaft ihrer Mandantin im Gepäck: „Ich soll Ihnen einiges sagen. Meine Mandantin schuldet es Michael. Sie will, dass der Angeklagte für den Tod zur Verantwortung gezogen wird.“ Bei allem Leid, das der Frau, die im Verlies sieben Kinder zur Welt brachte, angetan wurde, war für sie demnach das langsame Sterben ihres Sohnes die schlimmste, schmerzlichste Begebenheit.

Indessen lässt Verteidiger Rudolf Mayer im Plädoyer spüren, warum er gemeinhin die Bezeichnung „Staranwalt“ trägt. Er sei der Einzige, der sich an die Angaben von Elisabeth F. halte. Diese hab in ihrem Tagebuch bestimmte „etappenweise Handlungen“ aufgezeichnet, die auf ein Weiterleben des an Atemnot leidenden Babys hingedeutet haben. Wenn es dem Angeklagten so klar gewesen sei, dass der Zwilling Michael (der andere Zwilling überlebte) sterben würde, warum habe er dann ein Gitterbett ins Verlies gebracht? Warum habe er dann bei der Zwillingsgeburt geholfen? Warum habe er dann eine „Taufe“ seiner beiden Söhne vorgenommen?

Viele Erschwernisgründe

Bedenke man dies, so müsse man eher zu einem „In-Stich-Lassen“ des Kindes mit tödlichem Ausgang kommen, aber nicht zu Mord. Er, Mayer, wolle nur, dass man eine rechtlich richtige Wertung vornehme. Mit Blick auf seinen Mandanten: „Habe ich je gesagt: Der is eh sympathisch?“ Man dürfe sich auch keine Illusionen machen, dass Josef F. je wieder aus dem Gefängnis oder aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Freiheit komme. Als Letzter kommt dann noch F., der während der ganzen Verhandlung ruhig auf seinem Platz gesessen ist, zu Wort, er deutet Bedauern an: „Ich kann es nicht mehr gutmachen, ich kann den Schaden nur gering halten.“

Die Geschworenen ziehen sich zurück, knapp drei Stunden dauert ihre Beratung. Das Ergebnis fällt eindeutig, ohne den leisesten Zweifel, aus: Einstimmig beantworten die Geschworenen die Hauptfragen, ob F. der einzelnen Verbrechen schuldig sei, mit „Ja“.

Die Höchststrafe begründet das Gericht mit einer Vielzahl an Erschwernisgründen: der Dauer des Verbrechens, den immer wiederkehrenden Vergewaltigungen, dem Vertrauensbruch F.s seiner Tochter gegenüber und der Heimtücke, mit der er sie in den Keller gelockt habe: „Das Opfer hatte keine Chance“, sagt Richterin Andrea Humer. Als mildernde Umstände habe das Gericht demgegenüber F.s umfassendes Geständnis, seine formelle Unbescholtenheit sowie seine „eingeschränkte psychische Dispositionsfähigkeit“ gewertet.

Ob Josef F. das Urteil verstanden habe, will die Richterin wissen. „Ja“, sagt er ungerührt, und dann, noch bevor er sich mit seinem Anwalt beraten hat: „Ich nehme das Urteil an.“ Damit ist der Prozess abgeschlossen. F. wird nach Wien-Mittersteig verlegt, wo sich in den nächsten Tagen entscheidet, wo er seine Haftstrafe – und seine psychiatrische Behandlung – verbüßen wird. Infrage kommen die Gefängnisse Graz-Karlau, Stein, Mittersteig und Garsten: allesamt Haftanstalten für Schwerverbrecher.

AUF EINEN BLICK

Der 73-jährige Josef F. hat seine Tochter 24 Jahre lang eingesperrt, sie vergewaltigt und mit ihr sieben Kinder gezeugt, von denen einige eingesperrt leben mussten. Ein Kind starb nach der Geburt, weil F. keine Hilfe zuließ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2009)

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