Die abgetauchten EU-Spitzenkandidaten

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Was wurde aus..? Karas gewann, konnte aber nicht viel daraus machen. Freund ist nach der Enttäuschung im Mai von der Bildfläche verschwunden.

Wien. Am 25. Mai bescherte ausgerechnet Othmar Karas dem angezählten VP-Chef Michael Spindelegger ein letztes Aufflackern der längst verloren geglaubten Hoffnung, in der Partei doch noch eine Zukunft zu haben: Der geschmähte EU-Abgeordnete verteidigte den ersten Platz bei der Europawahl. Für einen Augenblick schien es, als würde dem etablierten Brüssel-Veteran endlich jene Anerkennung zuteil, auf die er schon lange vergeblich wartet. Nur widerwillig hatte die ÖVP ihn zum Spitzenkandidaten gemacht; nun musste Spindelegger dem als „uncharismatisch“ Verunglimpften in salbungsvollen Worten Dank aussprechen. „Du hast es uns in erster Linie ermöglicht“, gestand er vor laufenden Kameras ein. Für den Europapolitiker schien in den folgenden Tagen vieles möglich. Selbst ein Wechsel in die EU-Kommission – als Nachfolger seines Parteifreundes Johannes Hahn – stand kurz im Raum.

Doch die Euphorie ebbte ebenso schnell ab, wie sie gekommen war. Für den 57-Jährigen stellte sich bald der normale Alltag ein – gewonnene Wahl hin oder her. Als Leiter der fünfköpfigen ÖVP-Delegation – in dieser Funktion war er, anders als 2009, ohnehin unbestritten – geht Karas in Brüssel und Straßburg nun wieder seiner Arbeit als EU-Abgeordneter nach, sitzt zudem in der Delegation für die parlamentarische Kooperation EU/Russland. In der vergangenen Legislaturperiode konnte der Niederösterreicher sich immerhin den Posten eines der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments sichern. Diesmal fiel er bereits in einer internen Vorwahl seiner EVP-Fraktion durch. Er sei der Frauenquote zum Opfer gefallen, hieß es offiziell. In Wahrheit wollte ihn wohl mancher Fraktionskollege nicht mehr in dieser Position sehen.

Doch der Waldheim-Schwiegersohn strebt bereits nach Höherem: Allzu gern würde er den Sozialdemokraten Martin Schulz als Parlamentspräsidenten beerben. Ob Karas dafür ausreichend Unterstützung in der Bürgervertretung erhält, bleibt abzuwarten – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Stille um Mlinar, Vilimsky

Das dürfte sich auch Eugen Freund denken. Er war das Ass im Ärmel von SPÖ-Chef Werner Faymann, konnte aber nach verpatztem Wahlkampf – in dem er etwa ein Arbeitergehalt auf „ungefähr 3000 Euro“ schätzte – nur den zweiten Platz holen. Seither hat man von dem ehemaligen ORF-Moderator und Buchautor, der unter anderem Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ist, wenig bis gar nichts mehr gehört – böse Zungen behaupten, er sei absichtlich untergetaucht, um seine Interviewpatzer vergessen zu machen. Freund selbst betont freilich, bei der Arbeit im EU-Parlament sei vieles neu, dafür aber besonders spannend. Von Reue, kandidiert zu haben, will der 63-Jährige nichts wissen.

Mit Europathemen ist es mitunter schwer, in der Heimat für Schlagzeilen zu sorgen: Wohl auch aus diesem Grund versucht es FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky erst gar nicht. Der Fraktionslose sitzt im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Zuletzt hörte man von ihm, als die FPÖ einen Misstrauensantrag gegen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der LuxLeaks-Affäre unterstützte.

Ruhig geworden ist es auch um Angelika Mlinar. Die Kärntner Slowenin verpasste den Neos bei der EU-Wahl einen Dämpfer: Die Debatte um die Wasserprivatisierung verschreckte viele potenzielle Sympathisanten. Nach wie vor tut sich die 44-Jährige schwer, mit EU-Themen zu punkten. So sorgte ihre Aussage, internationale Schiedsgerichte im geplanten Freihandelsabkommen EU/USA stellten keine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar, hierzulande nicht für Begeisterung. Ulrike Lunacek vertritt in dieser Frage die entgegengesetzte Position. Die Grüne hat sich im EU-Parlament einen Namen gemacht und in dieser Legislaturperiode geschafft, was Karas verwehrt blieb: Sie wurde zu einer der 14 Vizepräsidenten gewählt.

AUF EINEN BLICK

Othmar Karas (ÖVP) ging in Österreich als Sieger aus der EU-Wahl am 25. Mai hervor, wurde in weiterer Folge jedoch nicht mehr zu einem der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments gewählt. Dafür konnte die Grüne Ulrike Lunacek einen solchen Posten ergattern. Um den SPÖ-Spitzenkandidaten Eugen Freund ist es hingegen still geworden, ebenso um Angelika Mlinar (Neos). Auch von Harald Vilimsky (FPÖ) hört man nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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