Konjunktur: China schaltet 2015 erneut zurück

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China wird das für 2014 angepeilte Wachstum nicht erreichen, für 2015 wird daher die Erwartung neuerlich gekürzt. Im Land steigt zunehmend die Sorge vor sozialen Spannungen.

Wien/Peking. Die jüngsten Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürften am Montag wohl nur kurz Anlass zur Freude in Peking gewesen sein. Laut IWF hat das Reich der Mitte nämlich die USA als größte Volkswirtschaft der Welt überholt – zumindest wenn die Zahlen kaufkraftbereinigt werden (also verglichen wird, wie viel sich Amerikaner und Chinesen abhängig vom lokalen Preisniveau für ihr Geld leisten können). Auch wenn die USA in US-Dollar gerechnet weiterhin um 70 Prozent vor China liegen, hat dies für einen kurzen Moment zu sehr viel Stolz in dem offiziell kommunistischen Land gesorgt.

Dieser Stolz dürfte allerdings schon bald wieder verflogen sein. Denn Chinas Führung musste am Montag auch auf die aktuellen Wachstumsraten eingehen. Und diese sind lange nicht mehr so rosig wie in den vergangenen Jahren. So wird das Land nach den Worten von Staats- und Parteichef Xi Jinping heuer nur um 7,3 Prozent wachsen. Damit verfehlt China nicht nur erstmals seit 15 Jahren sein selbst gestecktes jährliches Wachstumsziel, das für heuer 7,5 Prozent geheißen hat. Das Land wächst wirtschaftlich auch so langsam wie zuletzt Mitte der 1990er-Jahre, als der chinesische Boom gerade erst am Anfang war.

Stabilität des Arbeitsmarkts?

Für das kommende Jahr könnten die Ziele daher weiter gekürzt werden, führte Xi Jinping weiter aus. So dürfte 2015 nur mehr ein Wachstum von sieben Prozent angepeilt werden. Zum Vergleich: Noch 2010 bezeichnetet der damalige Premier, Wen Jiabao, ein jährliches Wachstum von acht Prozent als notwendig, um eine „grundsätzliche Stabilität auf dem Arbeitsmarkt“ zu gewährleisten.

Denn auch wenn die chinesischen Wachstumsraten für europäische Ohren nach wie vor astronomisch klingen, bergen sie für das Land zunehmend die Gefahr sozialer Spannungen. Fällt die Rate unter einen gewissen Wert, werden einfach nicht mehr genügend neue Jobs erzeugt, um das Arbeitskräfteangebot aufzunehmen. Und nur die stetige Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen Wohlstandes sorgt dafür, dass der politische Widerstand gegen die Einparteienherrschaft gering bleibt.

Die Frage ist jedoch, ab welcher Wachstumsrate zu wenige neue Jobs geschaffen werden, weil etwa durch zunehmende Automatisierung auch in China Billigarbeitsplätze wegfallen oder in noch günstigere Länder wie Vietnam oder Bangladesch abwandern. Unter Ökonomen galten zuletzt sieben Prozent als die absolute Untergrenze, vor allem wenn der Fokus weiterhin auf die Industrie gerichtet ist. Verändert sich die chinesische Wirtschaft jedoch – dem Beispiel des Westens folgend – verstärkt in Richtung Dienstleistungen, könnte auch ein noch geringeres Wachstum ausreichen, um den Arbeitsmarkt intakt zu halten.

Banken sollen Kredite geben

Um das abgeschwächte Wachstum wieder etwas anzukurbeln, beschloss die chinesische Nationalbank erneut eine Lockerung der Geldpolitik. So werden für chinesische Banken die Kapitalbestimmungen erleichtert, sodass sie mehr Kredite vergeben dürfen. Dies könnte zusätzliche Kredite im Ausmaß von umgerechnet 650 Mrd. Euro nach sich ziehen. Beobachter erwarten jedoch, dass die tatsächliche Kreditausweitung deutlich geringer ausfallen wird, da die Nachfrage nach Krediten aufgrund der wirtschaftlichen Abschwächung auch in China deutlich zurückgegangen ist.

Auswirkungen hat eine weitere Abkühlung von Chinas Volkswirtschaft naturgemäß auch auf andere Weltregionen. So baute der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands in den vergangenen Jahren zu einem Gutteil auf der hohen Nachfrage Chinas nach deutschen Maschinen und Autos auf. Bleibt diese künftig aus, werden dies die deutschen Hersteller und ihre österreichischen Zulieferer spüren. Aber auch auf den Rohstoffmärkten sind die Sorgenfalten bereits groß. So sank der Kupferpreis am Montag auf ein Vierjahrestief. Der Grund: China ist der größte Kupferverbraucher weltweit – noch. (jaz/Bloomberg/DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2014)

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