Sanktionen sorgen für "irreparable Vertrauensschäden". Die Rubelkrise bringe auch schon gesunde Betriebe in Probleme, fürchtet Leitl.
Die Sanktionen gegen Russland verfolgt Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl besorgt. Er warnt ausdrücklich vor einer Verschärfung. In einer negativen Eigendynamik der politischen und wirtschaftlichen Spannungen sieht der Wirtschaftskammerchef die größte Gefahr für 2015. Im November ist die russische Wirtschaft erstmals seit 2009 ins Minus geraten. Mit schärferen Sanktionen würde man nur weiter in den Graben reinfahren, warnt Leitl.
Der Rubel-Absturz stellt sogar gesunde Firmen, die in Russland investiert sind, vor große Probleme. Das fürchtet der Wirtschaftskammerpräsident. Etliche Betriebe müssen die russischen Währungsverluste auf ihr Investment in Euro stark abschreiben. Die Kontrollbank sichert politische Risiken ab, keine Währungsrisiken. Russische Kunden können sich Importe aus Europa immer weniger leisten.
Zudem hat die durch Sanktionen und den niedrigen Ölpreis stark unter Druck geratene russische Wirtschaft im November erstmals seit 2009 ein Minus verzeichnet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei im Vergleich zum November 2013 um 0,5 Prozent geschrumpft, hatte Moskau mitgeteilt.
Vertrauensverlust
Russland war erst 2013 als Zielmarkt österreichischer Güterausfuhren auf Rang 10 vorgerückt. "Das wird sich geändert haben", bedauert Christoph Leitl. "Ich möchte aber darauf hinweisen, dass der Vertrauensverlust der viel größere Schaden ist. Wo Misstrauen aufkommt, dort wird es sehr schwierig."
Für Leitl steigt die Gefahr, dass die politischen Gräben durch die Sanktionen tiefer, alte Feindbilder wiederbelebt werden. "Wirtschaftlich richten die Sanktionen Schaden an, vor allem irreparable Vertrauensschäden." Auch in der deutschen Wirtschaft griffen Sorgen vor einem durch einen Sanktionswettlauf bedingten wirtschaftlichen Chaos in Russland um sich. In Europa würden Rufe nach diplomatischen Lösungen lauter, auch die österreichische Wirtschaft hofft sehr auf eine Entschärfung des Konflikts durch "politisch-wirtschaftliche Netzwerke". "Es wird aber sicher nicht einfacher, wenn die Ukraine den Beitritt zur NATO fordert. So etwas sticht ins Herz Russlands", so Leitl.
Leitl ist dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer "sehr dankbar, dass er das Problem offen anspricht." Auch Fischer hat vor einer Verschärfung der Sanktionspolitik gegen Russland in der Ukraine-Krise gewarnt. Es wäre "unklug und schädlich" zu glauben, man könne Moskau auf diese Art so schwächen und unter Druck setzen, "um alle eigenen politischen Zielsetzungen durchzusetzen", hatte Fischer erklärt. Auch die EU habe in der Krise Fehler gemacht.
Russische Banken unter Druck
Der russische Bankensektor steht derzeit von mehreren Seiten unter Druck. Ganz gewichtig unter Druck sehen die Analysten der Erste Group die Banken von der Ölpreisfront. Sollte der Ölpreis weiterhin so niedrig bleiben, werde dies die russische Ölwirtschaft in Bedrängnis bringen und angeschlagenen Unternehmen Schwierigkeiten bereiten, ihre Schulden zurückzuzahlen.
"Der gesunkene Ölpreis und die Sanktionen gegen Russland werden 2015 zu einem Wirtschaftsabschwung führen und den Druck auf private Haushalte erhöhen. Diese werden unter hoher Arbeitslosigkeit und Kaufkraftverlust leiden, da die Inflation die Lohnerhöhungen deutlich übersteigen wird", prognostizierte am Dienstag Erste-Chefanalyst Fritz Mostböck. Bei Firmenkrediten werden die Ausfälle steigen. Auch auf die privaten Haushalte steige der Druck.
(APA)