60-Jahres-Hoch bei Arbeitslosigkeit

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Erstmals seit 1955 ist die Arbeitslosenquote in Österreich wieder zweistellig. Eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die Lage dürfte bis 2016 angespannt bleiben.

Wien. Die Arbeitslosigkeit in Österreich hat eine traurige Rekordmarke überschritten: Erstmals seit Februar 1955 ist die Quote nach nationaler Definition (Anteil der Arbeitslosen an der Summe der unselbstständig Beschäftigten und Arbeitslosen) wieder zweistellig. Sie betrug Ende Dezember 10,2 Prozent. Zum Jahreswechsel waren 393.674Menschen in Österreich arbeitslos gemeldet: Ein Plus von neun Prozent zum Vorjahr und ebenfalls ein Rekord. Hinzu kamen 62.157 Personen, die in Kursen oder Schulungen saßen und nicht in die Quotenberechnung einbezogen wurden.

Beschäftigung steigt, aber nicht genug

Bereits seit mehr als drei Jahren steigt die Arbeitslosenzahl im Jahresvergleich (ist also Monat für Monat höher als im jeweiligen Vergleichsmonat des Vorjahrs). Ein Grund ist die schwache Konjunktur. Doch anders als etwa im Krisenjahr 2009 steigt die Zahl der unselbstständig Beschäftigten ebenfalls. Von Dezember 2013 bis Dezember 2014 gab es ein Plus von 0,5 Prozent auf 3.466.000. Das bedeutet: Die Unternehmen haben zusätzliche Jobs geschaffen (wenngleich es sich oft nur um Teilzeitstellen handelt), allerdings nicht genug, um das noch stärker wachsende Arbeitskräftepotenzial (Ältere gehen später in Pension, Zuwanderer kommen neu auf den Arbeitsmarkt) aufzunehmen.

Der erneute Anstieg der Arbeitslosenzahl kommt nicht unerwartet. Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS rechnen bis 2016 mit keiner Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Überdurchschnittlich stark fiel der Anstieg diesmal im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung aus (plus 12,5Prozent). Das bedeutet, dass die Unternehmen zuerst ihre Leiharbeiter abbauen (oder keine solchen mehr beschäftigen). Unter dem Schnitt blieb der Anstieg in der Baubranche (plus 2,3Prozent), was Arbeitsmarktservice-Vorstand Herbert Buchinger auf den zuletzt sehr milden Winter zurückführt. Im Jänner könnte sich das ändern. Generell steigt die Arbeitslosigkeit im Jänner saisonbedingt am höchsten an, am niedrigsten ist sie im Sommer.

Besonders stark fiel der Anstieg mit plus 18 Prozent bei den Ausländern aus. Mehr als jeder vierte Arbeitslose hat nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Bei den Inländern betrug das Plus „nur“ sechs Prozent. Buchinger führt das darauf zurück, dass gering qualifizierte Beschäftigte aus den Balkanländern zunehmend durch gut Ausgebildete aus den EU-Ländern ersetzt würden. Erstere erhöhten nun die Arbeitslosigkeit.

(c) Die Presse

Bei den über 50-Jährigen betrug der Anstieg 12,5Prozent. Das hat auch damit zu tun, dass es in dieser Altersgruppe mehr Beschäftigte gibt; der Weg in die Frühpension wird zunehmend erschwert.

Im Schnitt ist ein Arbeitsloser 90 Tage ohne Job. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen (länger als ein Jahr arbeitslos gemeldet) hat sich allerdings auf 19.195 Personen mehr als verdoppelt. Das hat damit zu tun, dass die Betroffenen seltener in Schulungen sitzen, die die Arbeitslosigkeit unterbrechen. Verglichen mit dem Vorjahr bietet das Arbeitsmarktservice nämlich mehr (teurere) fachliche Weiterbildungen und weniger Bewerbungstrainings an. Insgesamt gibt es aber weniger Schulungen: Die Zahl der Schulungsteilnehmer ist um sieben Prozent geringer als vor einem Jahr.

Länger als ein Jahr auf Jobsuche

Aussagekräftiger ist die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen. Das sind jene, die länger als ein Jahr auf Jobsuche sind, auch wenn ihre Arbeitslosigkeit durch eine Schulung oder eine Beschäftigung kürzer als zwei Monate unterbrochen wurde: Ende Dezember gab es 101.462 solche Personen, ein Plus von fast 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Wesentlich besser schaut das Bild aus, wenn man die Quote heranzieht, die das EU-Statistikamt Eurostat für Österreich ausweist. Diese ist mit 5,1 Prozent nur halb so hoch wie der Wert, der auf Daten von AMS und Hauptverband der Sozialversicherungsträger basiert. Doch handelt es sich dabei um eine ganz andere Berechnung: Der EU-Wert beruht auf Umfragen, in die Berechnung fließen alle Erwerbstätigen (und nicht nur die unselbstständig Beschäftigten) ein, zudem ist der Wert saisonal bereinigt.

JOBSUCHE

Ende Dezember waren 393.674 Menschen arbeitslos gemeldet, weitere 62.157 saßen in Schulungen. Nicht nur die Zahl der Arbeitslosen war höher als vor einem Jahr, sondern auch die der Beschäftigten. Das war nicht genug, um das wachsende Arbeitskräftepotenzial aufzunehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2015)

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