Haben wir die richtigen Waffen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit?

Themenbild
Themenbild(c) Die Presse - Clemens Fabry
  • Drucken

Noch nie in der Zweiten Republik waren so viele Menschen ohne einen Job. Um das Problem zu lösen, muss man auch nach Brüssel blicken.

Es liegt in der Natur von Politikern, dass sie auch den schlechtesten Nachrichten einen positiven Spin geben, wenn die eigene Arbeit davon betroffen ist. Dass Sozialminister Rudolf Hundstorfer die Arbeitslosigkeit in Österreich als im europäischen Bereich „noch eher günstig“ beschreibt, ist ein Beispiel dafür.

Natürlich liegen wir europaweit mit 5,1 Prozent gut, bis vor ein paar Monaten hatte kein EU-Land weniger Arbeitslose. Aber die Berechnung auf EU-Ebene tut alles, um die wahren Zahlen, die so dramatisch sind wie seit den 1930er-Jahren nicht mehr, zu verschleiern: Wer auch nur eine Stunde in der Woche arbeitet, gilt bereits als beschäftigt, und wer als Langzeitarbeitsloser nicht mehr jede Woche nach einem Job sucht, fällt aus der offiziellen Statistik heraus.

Die österreichische Berechnung mit 10,2 Prozent beschreibt das Schicksal besser und die Lage treffender. Noch nie seit 1955 gab es hierzulande so viele Menschen ohne Job. Mag schon stimmen, dass die hohe Zahl saisonal bedingt ist. Aber der Trend geht seit Monaten nach oben: Im Vergleich zum Vorjahr gab es eine Zunahme um 6,5 Prozent. Betroffen sind vor allem ältere Menschen über 50 Jahre, Ausländer und immer mehr auch Frauen. Dass das Sozialministerium das alles als „eher günstig“ bezeichnet, ist an Zynismus kaum zu überbieten.

Für die steigende Zahl der Arbeitslosen gibt es mehrere Gründe, hausgemachte, europäische und weltweite, die sich zum perfekten Sturm vereinen. Die Wirtschaftskrise allein kann man nicht verantwortlich machen, sonst würde in den USA die Zahl der Menschen ohne Job seit 2010 nicht kontinuierlich nach unten gehen. Diese Entwicklung in Kombination mit dem erwarteten Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten von 3,1 Prozent, während die Eurozone 2015 gerade einmal um 1,1 Prozent wachsen wird, gibt auf jeden Fall Stoff zum Nachdenken: Vielleicht ist der US-amerikanische Kurs, der höhere Staatsausgaben für eine Belebung der Wirtschaft vorsieht, in einer Krise doch nicht ganz so schlecht wie der strikte Sparkurs in Europa?

Sparen müssen wir in erster Linie deshalb, weil wir mit viel öffentlichem Geld Finanzinstitute vor dem Ruin retten mussten, die jahrelang eine große Party gefeiert hatten (wie anders würden Wirtschafts- und Arbeitslosenzahlen in Österreich aussehen, könnte man das Geld, das uns die Hypo kostet, in sinnvolle Projekte stecken). Die Party war zwar zuallererst eine geschlossene Veranstaltung der Märkte, die uns mit einer Immobilienblase und unüberlegten Investments in die Krise führten, aber die Staaten feierten am Rande mit: Die üppigen Einnahmen machten eine sparsame Haushaltsführung und Reformen unnotwendig.


Jetzt wird also gespart, und leider nicht klug: Gestrichen werden staatliche Ausgaben, die kurzfristig einen Effekt haben. Die großen und teuren Bereiche ignoriert man, weil sich Änderungen erst in Jahren bemerkbar machen und man als Partei davon nicht mehr unmittelbar profitieren kann. Die Pensionen sind so ein Beispiel: Hätte Minister Hundstorfer den Mut gehabt, die Hacklerregelung (Pension nach 40 Beitragsjahren) früher auslaufen zu lassen, müsste man jetzt vielleicht nicht über mögliche Einnahmen aus einer Enteignungssteuer (die SPÖ nennt sie Vermögensteuer) streiten: Ein Jahr länger arbeiten bringt dem Staat jährlich eine Milliarde Euro.

Man sollte auch darüber nachdenken, ob ausgerechnet jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um Banken mit den durchaus sinnvollen Regelungen von Basel III strengere Auflagen zu erteilen. Das Geld, das die EZB derzeit verschenkt, kommt nicht bei den Menschen an. Teilweise sicher deshalb, weil es keine Nachfrage gibt. Zu einem guten Teil aber auch, weil Kreditwerber gezwungen sind, mehr Eigenkapital nachzuweisen und Banken das Geld am Ende trotz Strafzinsen lieber bei der EZB lagern, als weiterzugeben und ein Risiko einzugehen.

Regierungen schaffen die Rahmenbedingungen, die Wachstum und Beschäftigung fördern sollen. Wenn diese Rahmenbedingungen nicht funktionieren, dann muss man sie überdenken. In Europa wäre es Zeit dafür.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THEMENBILD: ARBEITSLOSIGKEIT / BETTELN / ARMUT
Österreich

60-Jahres-Hoch bei Arbeitslosigkeit

Erstmals seit 1955 ist die Arbeitslosenquote in Österreich wieder zweistellig. Eine schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Die Lage dürfte bis 2016 angespannt bleiben.
 BM HUNDSTORFER / BK FAYMANN
Innenpolitik

Die Lösung? Investieren und Steuern senken

Kanzler Faymann und Sozialminister Hundstorfer sind sich einig: Die Arbeitslosigkeit könne nur durch neue Investitionen gesenkt werden – etwa im Wohnbereich.
Themenbild
Europa

Europa: Jeder zweite Jugendliche in Spanien hat keinen Job

Anders als in Österreich ist in der gesamten EU die Zahl der Jobsuchenden im Jahresvergleich gesunken. Leicht verbessert hat sich vor allem die Situation in Griechenland und in Spanien.
Themenbild
Österreich

Investitionen umstritten

Schellhorn fordert Strukturreformen und Bürokratieabbau. Wifo-Fachmann Mahringer setzt hingegen auf staatliche Programme.
Themenbild: Arbeitslosigkeit
Österreich

Jeder zehnte Österreicher ist ohne Job

Die nationale Arbeitslosenquote ist auf 10,2 Prozent gestiegen. 455.831 Menschen waren damit im Dezember ohne Arbeit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.