Tirol. Gesünder schlafen in eisiger Höhenluft: Im Kühtai kuscheln die Gäste auch in Iglus.
Die kleine Giraffe hat einen Schnupfen. Langsam rollt ein dicker Tropfen von ihrer langen Nase und fällt metertief hinab. Ein kaum hörbares Platsch klingt durch den kleinen Raum. Der Tropfen bahnt sich seinen Weg durch eine dünne Schicht aus Hackschnitzeln und vereint sich bei den kalten Temperaturen sofort mit dem eisigen Boden. Ein Bildhauer hat das Savannentier an die Wand des Bar-Iglus in Kühtai gemeißelt, wo es bis weit in den April die Gäste des Iglu Village beobachtet.
„Vier Wochen brauchen wir für den Aufbau des ganzen Dorfes“, erklärt Philipp Walschebauer. Am Fuße der Drei-Seen-Bahn mitten in Kühtai ragen meterhohe Schneehügel zwischen Loipen und Pisten hinauf. Doch was nach einem Schneevorrat für das Frühjahr aussieht, bietet mindestens zwölf Pärchen eine eisige Übernachtungsmöglichkeit auf über 2000 Metern Höhe in den Stubaier Alpen. „Wir bauen die Iglus nicht nach klassischer Inuit-Art aus Eisblöcken, sondern beschneien zunächst große Ballons mit tonnenweise Schnee“, erklärt der blonde Organisator des winterlichen Dorfes. Ist die Schicht oben mehr als einen Meter dick, wird der Ballon herausgezogen.
„Sechs Iglubauer schaben dann das Innere mit Spitzhacken aus, bilden Sitzecken und Liegeflächen aus Eis.“ Dann wird Strom für Licht und Musik verlegt, Holztüren bilden den Abschluss. Schon locken zwölf Iglus für jeweils bis zu sechs Personen, ein Restaurant und eine Bar unter 14.000 Kubikmetern Schnee. Doch das Bett ist nicht so eisig wie gedacht: In einen Block aus eineinhalb Tonnen Schnee wird eine Vertiefung gegraben, ein Lattenrost samt Matratze und Schaffellen sorgt für Wärmeisolation und bequemes Liegen. Bei Kerzenschein schläft man zu Zweit – Sekt und Heizkissen in Herzform inklusive. Die Wände sind in jedem Schneehaus anders gestaltet: Hier spaziert eine Eisbärenfamilie vorbei, dort schaut ein überdimensionaler Teddy mit Herzchen auf die dicken Komfortschlafsäcke herab. Im Iglu ist es natürlich trotzdem nicht so bequem wie im warmen Hotelzimmer, also gibt es reichlich Rahmenprogramm. Am Nachmittag geht es mit Sandra Wendt zum Eisstockschießen auf die Natureisbahn des Jagdschlosses Kühtai. Die gebürtige Darmstädterin studiert in Innsbruck und arbeitet seit Jahren im Iglu-Dorf. „Sonst bin ich immer nur Schiedsrichter“, entschuldigt sie ihren dritten Platz im kleinen Wettkampf und löst am Abend ihre Wettschulden in Form eines Tiroler Zirbenschnapses an der Iglu-Bar ein.
Zwei Kilometer Rodelstrecke
So aufgewärmt geht es mit Schneeschuhen durch den lichten Zirbenwald hinauf zur Graf-Ferdinand-Almhütte. Bei sternklarem Himmel sind die Temperaturen auf minus zehn Grad gesunken, doch bei der Überwindung der 250 Höhenmeter durch den Tiefschnee wird der Wandergruppe schnell warm. Oben warten klassische Holzschlitten auf die Iglu-Bewohner. Über die zweieinhalb Kilometer lange, beleuchtete Rodelstrecke geht es rasant bergab, direkt zum Iglu.
Nun wird es wirklich kalt für die Gäste. Nach dem Zähneputzen in den wohl temperierten Waschräumen des Sportplatzes geht es bei minus zehn Grad die wenigen Meter zum eigenen Iglu. Drinnen herrschen konstant null Grad. Die Pärchen haben ihre Schlafsäcke bereits gekoppelt und schlüpfen in unromantischer Skiunterwäsche in den wärmenden Vlies, dann weiter gemeinsam in den dicken Schlafsack. „Alles, was ihr am nächsten Morgen anziehen möchtet, muss mit ins Bett“, empfiehlt Philipp Walschebauer. „Auch Handy oder Kontaktlinsen gehören in den Schlafsack.“ Gut eingepackt und mit Mütze auf dem Kopf lassen sich die Temperaturen erstaunlich gut aushalten, der Schlaf ist bei gesunder Höhenluft tief und fest – falls man nachts nicht raus muss. (B. B.)
Iglu Village Kühtai: Philipp Walschebauer, iglu-village.at; Die Autorin war eingeladen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2015)