Das abgelaufene Jahr war kein gutes für Aktionäre von Ölkonzernen. Während die meisten Experten bezüglich der Branche kurzfristig zur Vorsicht raten, verzeichnen einschlägige Produkte hohe Zuflüsse.
Der Ölpreis hat das abgelaufene Jahr auf dem tiefsten Stand seit Mai 2009 beendet. Wie berichtet lag der Preis für die US-Sorte WTI zu Handelsschluss am Mittwoch bei 53,27 Dollar je Barrel und damit um 45 Prozent niedriger als im Vorjahr. Das ist der größte Rückgang seit 2008. Die Nordseesorte Brent kostete 57,33 Dollar je Barrel. Zum Teil ist das konjunkturell bedingt (also vorübergehend), zum Teil dürfte es auch strukturelle Ursachen haben: Real– wenn man die Geldentwertung mit einberechnet– ist Öl so billig wie seit 1981 nicht mehr, teilte der deutsche Mineralölverband (MWV) am Freitag in Berlin mit.
„Damit sind die Prognosen widerlegt, wonach der Rohstoff Öl immer knapper und teurer werden muss“, zitiert die Deutsche Presseagentur den MWV-Präsidenten Klaus Picard. Die bestätigten Ölreserven seien seit dem Jahr 2000 um 70 Prozent auf 240 Milliarden Tonnen gestiegen. Grund sei der technische Fortschritt beim Auffinden sowie bei der Förderung.
Des einen Leid, des anderen Freud: Die Kurse der Ölaktien sind stark abgerutscht. Der MSCI World Energy Index, dessen größte Gewichte Exxon Mobil, Chevron, Royal Dutch Shell und Total sind, rutschte (auf Dollarbasis) um 14 Prozent ab, während der branchenübergreifende Aktienindex MSCI World um drei Prozent zulegen konnte.
Den heimischen Ölwerten erging es nicht besser: Die Aktie der OMV ist seit einem Jahr um 35 Prozent, jene des Ölfeldausrüsters Schoeller-Bleckmann (SBO) um 26 Prozent abgestürzt.
Die Frage, ob Ölaktien jetzt ein Schnäppchen sind oder ob sie noch günstiger werden, ist umstritten. Experten der Raiffeisen Bank International (RBI) meinten bei ihrem Marktausblick im Dezember etwa, es sei noch zu früh, Ölwerte zu kaufen.
Einige Investoren sehen das aber anders. Im Dezember sind mehr als 3,16 Mrd. Dollar in börsenotierte Fonds (ETFs) geflossen, die Aktien von Exxon Mobil, Schlumberger und anderen Unternehmen aus dem Energiesektor enthalten. Das geht aus Daten von Bloomberg hervor. Die Zuflüsse sind viermal höher als der Jahresdurchschnitt und stärker als der vormalige Rekord im Dezember 2007, als ein Barrel noch rund 91 Dollar kostete.
Langfristig gute Kaufgelegenheit. „Es sieht definitiv so aus, als ob die Investoren versuchen, am Markttief einzusteigen und sich für 2015 zu positionieren“, sagte David Mazza, Leiter der ETF-Analyse bei State Street Corp. in Boston, zu Bloomberg. „Wir haben mit einigen Investoren gesprochen, die nicht an das negative Bild glauben, das derzeit Konsens geworden ist“, ergänzte er. Die Investoren setzten auf einen langfristig wieder höheren Ölpreis. „Langfristige ausgerichtete Investoren werden in zwei bis drei Jahren zurückblicken und sagen: „Meine Güte, was war das für eine gute Kaufgelegenheit!“, sagt Fadel Gheit, Energieanalyst bei Oppenheimer & Co. in New York.
Für kurzfristige Anleger „wird es in den nächsten Monaten nicht sehr gut aussehen“, schränkte er aber ein. ETFs sind börsengehandelte Fonds, die meist einen Index nachbilden, ohne Fondsmanager auskommen und daher als kostengünstiger gelten. Sie werden zunehmend als Indikator für die Investorenstimmung gesehen, weil sie breit angelegte Wetten auf einen Sektor ermöglichen. (b.l./Bloomberg)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2015)