Schweden: Siegeszug der Rechtspopulisten

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Das tolerante Schweden wird von Brandanschlägen auf Moscheen erschüttert. Die Schwedendemokraten legen bei Wählern zu.

Stockholm. Die Erschütterung ist groß. Schweden gilt traditionell als sehr tolerant und einwanderungsfreundlich. Kaum ein anderes westliches Land hat so viele Zuwanderer pro Kopf aufgenommen und zudem relativ vorbildlich integriert. Und nun das. Drei Brandanschläge auf Moscheen innerhalb von acht Tagen.

Der jüngste Anschlag wurde am Neujahrstag in Uppsala ausgeübt. Ein Mann hat eine Brandbombe auf den Eingang des Gotteshauses geworfen, rassistische Sprüche an die Wand geschmiert. Nach dem Anschlag in Uppsala und zuvor im südschwedischen Eslöv wie im westlich von Stockholm liegenden Eskilstuna haben Tausende landesweit gegen den Muslimhass demonstriert. Die allgemeine Betroffenheit ist überall spürbar. Insgesamt verliefen die Anschläge mit wenigen Rauchvergiftungen glimpflich. Rechtsextreme im Internet fordern jedoch derzeit dazu auf, die Anschlagsreihe fortzusetzen – bevorzugt beim Freitagsgebet, bei dem viele Menschen in den Moscheen sind. Auch ist auf diesen Seiten zurzeit oft von Deutschland und Pegida als Vorbild die Rede. Eine schwedische Pegida wurde um den Jahreswechsel gegründet.

Der Rechtsextremismus-Experte Daniel Poohl von der Zeitschrift „Expo“ glaubt, dass die in Medien stark beachteten Aktionen des IS und anderer Islamisten im Ausland die Einstellung der Schweden gegenüber Muslimen im eigenen Land negativer gefärbt haben. Sie würden nun „eine kollektive Schuld“ tragen. Allerdings sei die rechtsextreme Szene eher kleiner geworden, dafür aber aktiver. Der muslimische Rat spricht von deutlich mehr Anfeindungen gegenüber Muslimen als früher. Gleichzeitig ergeben soziologische Langzeitstudien, dass Fremdenfeindlichkeit in Schweden nicht gewachsen ist.

Unabhängig davon, ob die Brandanschläge die Volksstimmung repräsentieren, liegen sie im direkten Fahrwasser einer ungewöhnlich heftig ausgetragenen Einwanderungsdebatte. Bei der Parlamentswahl im Herbst konnten die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) mit 12,9 Prozent einen Erdrutscherfolg verzeichnen.

Als drittstärkste Kraft sind sie nun das Zünglein an der Waage zwischen den Blöcken und Ausdruck dafür, dass viele Schweden die generöse Einwanderungspolitik als Problem auffassen. Die SD fordern von der rotgrünen Minderheitsregierung, die Einwanderung um 50 bis 90 Prozent zu reduzieren, um deren Haushalt durchzuwinken.
Nur ein Kompromiss der Regierung mit der bürgerlichen Opposition konnte die vor Weihnachten bereits angekündigten Neuwahlen noch stoppen. Laut Umfragen hätten die SD 17 Prozent bei den Neuwahlen erhalten.

Abbau des Sozialstaats

Als Grund für die steigende Stimmung gegen mehr Einwanderung wird unter anderem die Verunsicherung in schlechter gestellten sozialen Schichten gesehen. Auch die Wohlfahrtsnation Schweden wird seit den 1990er-Jahren von immer größer werdenden sozialen Unterschieden und einem umfangreichen Abbau des Sozialstaats geprägt.
Unter den Mitgliedern der Gewerkschaftsdachorganisation LO sind die Schwedendemokraten inzwischen die zweitbeliebteste Partei. „Die Ängste der sozial Schwächeren auf dem härter gewordenen Arbeitsmarkt, der steigende Konkurrenzdruck durch ausländische Arbeitskräfte, all das wird von den etablierten Parteien in Schweden nicht genügend wahrgenommen“, so der dänische Soziologieprofessor Jens Lind von der ?lborg-Universität gegenüber der „Presse“. In seinem Land sind die Rechtspopulisten inzwischen laut Umfrage erstmals stärkste Kraft. So könne es auch in Schweden kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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