Pro: Ein klares Ja für die Forschung

(c) Reuters (Robert Galbraith)
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Nach mehr als einjährigen intensiven Beratungen hat die Bioethikkommission ihre Stellungnahme zur Forschung an embryonalen Stammzellen verabschiedet.

Eine Zweidrittelmehrheit – darunter übrigens die Vorsitzende und alle übrigen weiblichen Kommissionsmitglieder! – spricht dazu ein klares Ja. Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist nicht nur wissenschaftlich relevant – auch wenn in der österreichischen Öffentlichkeit immer wieder das Gegenteil behauptet wird. Sie ist auch moralisch grundsätzlich legitim und förderungswürdig.

Die bestehende österreichische Rechtslage wird der Bedeutung dieses bei uns noch immer stiefkindlich behandelten Forschungszweiges nicht gerecht. Dass die Herstellung embryonaler Stammzelllinien im Inland verboten ist, nicht aber der Import und die Forschung an Stammzelllinien, die aus dem Ausland stammen, ist ein rechtlich wie ethisch inakzeptabler Zustand. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, der das Thema aus Mangel an politischem Mut über Jahre vor sich her geschoben hat.

Aktive Forschungspolitik und Forschungsförderung setzen klare gesetzliche Regelungen voraus, die den beteiligten Forschern Rechtssicherheit geben. Die Kommissionsmehrheit empfiehlt, neben der Forschung an adulten Stammzellen auch die gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung an embryonalen Stammzellen in Österreich rechtlich klar abzusichern, besser zu fördern und zugleich wirksam zu kontrollieren. Ob man diese Materie besser in einem eigenen Stammzellforschungsgesetz oder in einem umfassenden Humanforschungsgesetz regelt, das es bislang ebenfalls noch nicht in Österreich gibt, ist eine nachgeordnete Frage.


Die Frau muss zustimmen. Einig ist sich die Bioethikkommission darin, dass die Herstellung von befruchteten Eizellen für Forschungszwecke verboten bleiben soll. Lediglich aus überzähligen Embryonen, die bei der In-vitro-Fertilisation anfallen und nach geltendem Recht nach einigen Jahren zu vernichten sind, sollen nach der Empfehlung der Kommissionsmehrheit embryonale Stammzellen gewonnen werden dürfen. Vorausgesetzt wird die Zustimmung der Frauen, von denen die Embryonen stammen. Forschungsvorhaben in Bezug auf embryonale Stammzellen sollten durch eine eigens errichtete unabhängige und interdisziplinäre Kommission geprüft und in einem öffentlichen Register erfasst werden.

Für ethisch unbedenklich wird auch die Erzeugung von Zybriden gehalten, d.h. die Erzeugung von entwicklungsfähigen Zellen durch Transfer eines menschlichen Zellkerns in eine tierische Eizelle. Die Kommissionsmehrheit sieht darin eine Alternative zum therapeutischen Klonen, das zwar nicht verboten werden sollte, jedoch mit dem Problem der menschlichen Eizellspende und der möglichen Kommerzialisierung des weiblichen Körpers verbunden ist. Auch wenn Zybride einen hohen Anteil an menschlichen Genen haben, besitzen sie nicht den ontologischen und moralischen Status menschlicher Embryonen.

Die Behauptung, Embryonen hätten nach geltendem österreichischen Recht den Status wie Geborene, d.h. von Personen mit Menschenwürde und uneingeschränktem Recht auf Leben, ist nach dem Urteil der Kommissionsmehrheit falsch. Das wird ausführlich begründet. Nun kann man zwar der moralischen oder religiösen Überzeugung sein, das schon befruchtete Eizellen „embryonale Menschen“ seien. Diese strittige Sichtweise genügte auf dem Boden des geltenden Rechtes aber nicht als Maßstab, um die grundrechtlich garantierte Freiheit der Forschung zu beschneiden. Überhaupt spielt die Frage nach dem ontologischen, moralischen und rechtlichen Status des Embryos für die Beurteilung der Stammzellforschung zwar eine wichtige, nicht jedoch ausschlaggebende Rolle. Wie ein Blick in die einschlägige Fachliteratur zeigt, lässt sich die Befürwortung der Forschung an embryonalen Stammzellen durchaus mit unterschiedlichen Positionen zum Status des Embryos vereinbaren.


Erste klinische Studie in den USA. Dass der Beschluss der Bioethikkommission kurz nach Obamas Kurswechsel in der amerikanischen Stammzellpolitik gefallen ist, ist übrigens reiner Zufall. Er zeigt freilich, dass sich die Forschung an embryonalen Stammzellen noch längst nicht erübrigt hat, wie manche Kritiker behaupten. Erst kürzlich wurde von der US-Arzneimittelzulassungsbehörde die erste klinische Studie zur Therapie mit embryonalen Stammzellen genehmigt.

Keineswegs behauptet die Kommissionsmehrheit, das Heil der Forschung liege ausschließlich auf dem Gebiet der embryonalen Stammzellen. Ausdrücklich verweist sie auf die Bedeutung der Forschung an adulten Stammzellen sowie an induzierten pluripotenten Stammzellen. Sie hält es jedoch für ethisch und rechtlich unzulässig, die Forschung in einem dieser Bereiche zu beschneiden, wenn es dafür keine überzeugenden Argumente gibt.

Die Bedeutung der Grundlagenforschung und ihrer Rahmenbedingungen wird in der öffentlichen und politischen Diskussion über die Notwendigkeit und die ethische Zulässigkeit der Forschung an embryonalen Stammzellen häufig unterschätzt. Einerseits werden Durchbrüche in der Grundlagenforschung oft vorschnell als Sieg über eine Krankheit gefeiert. Das mindert zwar den Wert der Grundlagenforschung auch dann nicht, wenn übertriebene Erwartungen nachträglich enttäuscht werden. Es trägt jedoch dazu bei, das vorläufige Fehlen eines konkreten therapeutischen Nutzens als unseriöses Argument gegen die Sinnhaftigkeit einer ganzen Forschungsrichtung zu verwenden.

Auch hängt die ethische Bedenklichkeit oder Unbedenklichkeit von Ansätzen und Projekten der Stammzellforschung nicht davon ab, ob diese in einer bestimmten Gesellschaft konsensfähig sind oder bei manchen Gruppen auf Widerspruch stoßen, sondern von Normen und Prinzipien, anhand derer moralische Überzeugungen zu prüfen und deren Konsequenzen im Anwendungsbereich zu beurteilen sind. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit führt eine sorgfältige Prüfung aller Argumente zu einem klaren Ja.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2009)

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