Niederösterreich: SPÖ vertraut für ihren Machterhalt auf Pröll

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„Glücksritter“, „Nichtraunzer“ und die pralle Landespolitik im Wahlkampf in Wiener Neustadt: SPÖ-Stadtchef Müller baut auf Absolute und klare Verhältnisse, ÖVP-Landtagsklubchef Schneeberger auf den Neustart.

Wiener Neustadt. Sie ziehen mit roten Schals ins volle Stadttheater ein. „We built this city“: Die Achtzigerjahre-Hymne von Starship ist Programm. Sie begleitet den Einzug von Wiener Neustadts Bürgermeister, Bernhard Müller (41), und seinem SPÖ-Team. Die Musik soll beim Wahlauftakt signalisieren: Die Roten haben die im Zweiten Weltkrieg zerbombte Stadt im Süden Niederösterreichs jahrzehntelang geführt und aufgebaut, und sie lassen sich bei der niederösterreichischen Gemeinderatswahl am 25. Jänner von niemandem vertreiben.

Dieser Niemand hat einen Namen und ist in der Realität gar kein Niemand. Klaus Schneeberger (64) ist seit gut 15 Jahren als Klubobmann verlässlicher verlängerter Arm von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) im Landtag. Dieser ist an diesem Mittwochabend im eng besetzten, gediegenen Sparkassensaal Wahlhelfer Schneebergers. Die rote Bühnenshow läuft fast gleichzeitig mit der perfekten schwarzen Inszenierung in der Innenstadt ab. Schneeberger will in seiner Heimatstadt als ÖVP-Bürgermeisterkandidat das rote Abo beenden.

Seit 2010 hält die SPÖ mit 48,4 Prozent hauchdünn die absolute Mehrheit mit 21 von 40 Mandaten im Gemeinderat. Die ÖVP, deren Stadtparteichef, Christian Stocker, wegen seiner Rechtsanwaltskanzlei im Herbst auf die Position des Spitzenkandidaten verzichtet hat, folgt mit 24,5 Prozent und zehn Mandaten. Legt die ÖVP am meisten zu und verliert die SPÖ die Absolute, will Schneeberger den Bürgermeisterposten beanspruchen.

Wiener Neustadt ist am 25. Jänner eine von 570 Wahlgemeinden. Die Themen, die die 36.000 Wahlberechtigten berühren: mangels Kundschaft teils brachliegende Innenstadt; abgenabelte Neubausiedlungen an der Peripherie; Animositäten, weil jeder fünfte Wiener Neustädter seine Wurzeln im Ausland hat; Einheimische mit wenigen Kindern, die ins Umland übersiedeln; das alles trotz der in den vergangenen 20 Jahren geschaffenen überregionalen Bildungs- und Forschungseinrichtungen.

Glücksritter und Nichtraunzer

Müller, ein bulliger Typ in der Art des Schauspielers und Fred-Feuerstein-Darstellers John Goodmann, setzt mit der SPÖ auf Kontinuität. Personell manifestiert sich das, indem der rote Titelverteidiger in der ersten Reihe neben Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser von altgedienten Sozialdemokraten flankiert wird: Ex-Vizelandeshauptmann Ernst Höger ist da, der bärbeißige Ex-Gewerkschaftschef Rudolf Nürnberger. Selbst das einstige „ZiB“-Aushängeschild, der spätere SPÖ-Parlamentarier Josef Broukal zählt als Moderator dazu.

Bei Schneebergers Kandidaten sind Jung und Alt gemischt. Als „Anpacker“, „Nichtraunzer“, „starke schwarze Frauen“ werden sie alle einzeln vorgestellt, weshalb sich der Einzug in den Saal mehr als eine halbe Stunde zieht.
Niederösterreichs SPÖ-Chef, Matthias Stadler, ist speziell als roter Stadtchef von St. Pölten zur Wahlhilfe für Müller angereist. Nur kurz klingt sein Bekenntnis zur Vermögensteuer an, ehe er warnt: „Wiener Neustadt braucht keine Glücksritter, die es einmal probieren.“ Keine Experimente, klare Verhältnisse, lautet die Kerndevise. Um ihre absolute Macht zu halten, baut die SPÖ auf den roten Gottseibeiuns: Ein Plädoyer Prölls, wonach absolute Mehrheiten – wie im Land – Sicherheit geben, liegt in Kartenform x-fach im Foyer auf.

Der schwarze Herausforderer lässt Müller demonstrativ links liegen. Schneeberger trommelt für einen „Neustart“ für Neustadt. Seine Tochter, Golf-Profi Tina Schneeberger, ist wohl seine beste Wahlwerberin: „Er ist wahnsinnig sentimental, er plärrt bei jedem Heimatfilm.“ Das rührt das Publikum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2015)

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