Rechte Parteien instrumentalisieren den Pariser Anschlag

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Le Pen fordert die Todesstrafe, Wilders eine „Entislamisierung“. Pegida ruft zu neuem Protest auf.

Wien. Rechte Parteien in ganz Europa haben rasch auf den islamistischen Anschlag in Paris reagiert. Sie versuchen, auf ihre schon bisher islamfeindliche Haltung aufzubauen, um die breite Verunsicherung zu nutzen. Die Parteichefin des Front National, Marine Le Pen, meldete sich umgehend zu Wort und versprach bei einem Wahlsieg ein Referendum zur Einführung der Todesstrafe. „Von allen politischen Parteien in Frankreich dürfte der Front National am meisten von dieser Gräueltat profitieren“, zeigt sich Jim Schields, Institutsvorstand für französische Studien an der Aston University Birmingham, überzeugt. Er erinnert daran, dass die rechte Partei bereits nach den Anschlägen islamistischer Terroristen in Toulouse und Montauban 2012 massive Zugewinne bei der anschließenden Präsidentenwahl verzeichnen konnte.

Mehrere politische Gruppen, darunter auch die Sozialisten, haben für Sonntag in Paris zu einem Marsch für republikanische Werte aufgerufen. Es soll ein Massenprotest im Gedenken an die Opfer von „Charlie Hebdo“ werden. Doch der Front National wurde explizit ausgeladen. Le Pens Partei wird vorgeworfen, die angespannte Situation mit Angriffen auf die rund fünf Millionen Moslems im Land noch zu verschärfen. FN-Politiker Florian Philippot hatte in einer Reaktion auf den Anschlag in einem Radiointerview für RTL gesagt: „Jeder, der jetzt behauptet, radikaler Islamismus habe nichts mit Einwanderung zu tun, lebt auf einem anderen Planet.“

In dieselbe Richtung gehen die Reaktionen der Rechtspopulisten in den Niederlanden: Der Parteichef der Partij voor de Vrijheid (PVV), Geert Wilders, rief zur „Entislamisierung“ des Landes auf. Schon wenige Minuten nach dem Anschlag in Paris war er mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit gegangen. Wilders forderte darin einen Austritt der Niederlande aus dem Schengen-Abkommen, die Schließung der Grenzen und die Mobilmachung der Armee zum Schutz der Bevölkerung.

„Ein Krieg ist im Gang“

In Großbritannien machte der Parteichef der rechtsnationalen UKIP, Nigel Farage, die europäischen Regierungen für den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ verantwortlich. Der von ihnen betriebene Multikulturalismus habe nicht funktioniert. Die Zuwanderer bildeten eine „fünfte Kolonie“ in den Ländern, seien nicht integriert. In Italien warnte die Lega Nord vor der Gefahr einer „militärischen und kulturellen Besatzung“ des Landes durch moslemische Fundamentalisten. Lega-Chef Matteo Salvini attackierte unmittelbar nach dem Anschlag in Paris auch Papst Franziskus für dessen Dialogbereitschaft mit dem Islam. Salvini: „Ein Krieg ist im Gang. Es wäre selbstmörderisch, mit Toleranz zu reagieren.“

In Deutschland setzt die EU-kritische AfD (Alternative für Deutschland) nun ebenfalls verstärkt auf das Islamthema. Sie hat für kommenden Montag zu einer Kundgebung gegen Islamismus in Dresden aufgerufen. Die AfD, so betonte ihre sächsische Parteivorsitzende Frauke Petry, habe dabei „inhaltliche Schnittmengen“ mit Pegida, der neuen islamfeindlichen Bewegung in Deutschland. Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) hat so wie jeden Montag auch an diesem Tag in Dresden zum Massenprotest aufgerufen. Laut einer jüngsten Studie der Bertelsmann-Stiftung finden die Thesen von Pegida in der Bevölkerung immer breiteren Anklang. 57Prozent der Deutschen sind laut der aktuellen Studie der Ansicht, der Islam sei „bedrohlich“, 61Prozent halten die Religion mit der westlichen Welt nicht kompatibel. Besonders stark sind die Vorbehalte im Osten Deutschlands.

Protest und Gegenprotest

Pegida, die in Deutschland von den etablierten Parteien strikt abgelehnt wird, hat nun auch in Wien eine Demonstration angekündigt. Der für 2. Februar geplante anti-islamische Protest wird von der FPÖ unterstützt. So wie in Deutschland wurden aber bereits auch Gegendemonstrationen angesagt. Das Bündnis NoWKR sowie die „Offensive gegen Rechts“ riefen zu Kundgebungen auf. NoWKR, das bereits kurz davor eine Demonstration gegen den Akademikerball organisiert, will den Europaplatz beim Wiener Westbahnhof blockieren, damit Pegida-Anhänger ähnlich wie zuletzt vor dem Kölner Dom nicht an derselben Stelle ihre Kundgebung abhalten können. (ag./wb)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2015)

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