Namen als "Markenartikel"

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Eine Schweizer Agentur kreiert neuerdings exklusive Babynamen. Auch in Österreich liegen ausgefallene Namen klar im Trend.

Man nehme ein wohlklingendes Wort wie den Planeten Mars, füge ein paar Silben eines real existierenden Namens oder einen anderen Wortteil hinzu, probiere Kombinationen in verschiedenen Sprachen und voilà: Ein neuer, einzigartiger Name wurde kreiert. So lautet das Rezept für eine neue Geschäftsidee der Schweizer Namens- und Textagentur Erfolgswelle. Beispiele will man in der Schweiz nicht nennen, aber Kreationen wie „Kometitia“ oder „Solilia“ könnten dem wohl nahekommen.

Freilich steckt noch mehr dahinter, die Agentur verrechnet schließlich hundert Arbeitsstunden und einen Gesamtpreis von umgerechnet 23.300 Euro. Ein „Expertenteam“ garantiert für die Einzigartigkeit des Namens, lässt sich von einer Testgruppe die allgemeine Beliebtheit in verschiedenen Sprachen versichern und entwickelt gar eine „glaubwürdige neue Geschichte und Mythologie“ rund um den Namen. Bisher machte das die Agentur für Firmen wie Danone, wenn sie nach neuen Produktnamen suchten. Nun aber scheint der Nachwuchs das Erzeugnis zu sein, dessen Einzigartigkeit beglaubigt sein muss.

Narzissmus der Eltern. Werden Kunden im deutschsprachigen Raum tatsächlich fünfstellige Summen für einen Namen hinblättern? „Ich habe den Eindruck, dass viele Leute sich Individualität wünschen“, sagt Marc Hauser, Gründer und Inhaber von Erfolgswelle, „und einige auch bereit sind, viel dafür zu zahlen.“ Das habe sicher auch mit Narzissmus zu tun.

„Der Trend geht absolut in Richtung ausgefallene Namen“, sagt Sprachwissenschaftler Hans Christian Luschützky von der Uni Wien. Er erkennt hier die Tendenz, dass Eltern sich mit den Namen ihrer Kinder schmücken wollen „wie mit einem Markenartikel“. Luschützky ist unter anderem Ansprechpartner für die Standesämter. Denn die kommen bei ausgefallenen Wünschen häufig in die Bredouille. Zwar sind bei der Statistik Austria die Namen verzeichnet, die in Österreich in den vergangenen dreißig Jahren vergeben wurden. Doch ist der Name in diesen Listen nicht zu finden und sind die Beamten unsicher, ob sie ihn zulassen sollen, können sie sich an Luschützky wenden. Er prüft dann, ob der Name gebräuchlich ist. Denn in Österreich dürfen an sich nur Namen vergeben werden, die es hier oder in einem anderen Land tatsächlich gibt.

Aber auch Eltern wenden sich an Luschützky, wenn sie Beweise für die Existenz eines Namens suchen. Einerseits seien das häufig Migranten, andererseits oft „esoterisch Angehauchte“, wie Luschützky erzählt. Die Sehnsucht nach Einzigartigkeit wird bei letzterer Gruppe großgeschrieben. Kürzlich musste er etwa einen Vater enttäuschen, der seinen Sohn Idamante nennen wollte, nach dem Sohn von Idomeneo aus der gleichnamigen Mozart-Oper. Es sei in seiner Familie Tradition, sagte der Vater, dass Kinder nach Opernfiguren benannt würden. Vom Sprachwissenschaftler wurde Idamante allerdings als „nicht gebräuchlich“ qualifiziert.

Manche Kinder tragen trotz der Vorgabe, dass ein Name üblich sein muss, fast exzentrische Namen. „Gebräuchlichkeit ist Ermessenssache“, sagt Luschützky. Und es gebe große Unterschiede bei den Standesbeamten. „Vor hundert Jahren gab man den Kindern in Österreich katholische Namen. Die, die nicht im Heiligenkalender standen, waren nicht existent“, sagt Luschützky. Seitdem hat sich viel getan – einerseits durch die Einflüsse von Migration und Globalisierung, andererseits durch das Internet. In den Listen der Statistik Austria tauchen auch Namen auf, die nicht als gebräuchlich eingestuft werden können. Beliebt seien etwa die Namen von Fantasy-Figuren oder Kampfspielern für die X-Box.

„Kindesmisshandlung beginnt am Standesamt“, sagt der Sprachwissenschaftler. Was sich auch daran zeigt, dass die Anmerkung einer Lehrerin „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose“ mittlerweile zum Stehsatz wurde. Und eine österreichische Familienrichterin schon über die Umbenennung eines Kindes entscheiden musste. Die leiblichen Eltern hatten den Buben Kevin genant, die Pflegefamilie wollte ihm einen Namen geben, der nicht mit Vorurteilen behaftetet ist. Der Namensänderung wurde stattgegeben.

Nachahmung gratis. Die Last der Vorurteile wird jedenfalls kaum auf den Kindern lasten, die dereinst teure Agenturnamen bekommen – schließlich lässt sich damit vorerst weder Positives noch Negatives assozieren. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen für die Käufer: Der Name kann nicht geschützt werden. Wenn also die Nachbarin ihr Kind genauso nennen will, kann sie das tun. Und zwar gratis.

Urteile. 2009 klagte ein Vater, weil ein Standesbeamter den Namen Jan-Maurice nicht mit Bindestrich eintragen wollte. Ein Jahr später ging ein Elternpaar bis vors Höchstgericht, um die Tochter auf den Namen Te-He-Kaija umbenennen lassen zu können. Sie hatten den Namen aus einer Sanskrit-Bezeichnung abgeleitet – und scheiterten. Vor drei Jahren wurde der Wunsch eines Österreichers, T. Tomahawk zu heißen, vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnt. Corbis

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2015)

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