Sanktionen: Russlands Ölriese im Schwitzkasten

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Russlands größter Ölkonzern, Rosneft, wird von den Sanktionen und dem Ölpreis erdrückt. Kern des Problems sind die Zukäufe vor der Krise – und die so entstandenen Schulden.

Wien. Die Psyche krieche aus allen Poren, meinte schon Sigmund Freud. Und selbst Igor Setschin scheint vor dem Phänomen, seinen Seelenzustand nicht verheimlichen zu können, nicht gefeit. Etwas verloren und ängstlich wühlte der Chef von Russlands größtem und staatlichem Ölkonzern, Rosneft, Ende November beim Interview mit der „Presse“ in seinen Unterlagen, um Aussagen zum Ölpreisverfall fehlerfrei ins Aufnahmegerät zu sprechen. Allemal nicht sehr souverän für einen Mann, der als zweitmächtigster Russe hinter Kreml-Chef Wladimir Putin gilt und auf dem Ölsektor das Sagen hat.

Nicht an Setschins Macht hat sich etwas geändert. Es sind die neuen Umstände, die den 54-Jährigen zur Vorsicht zwingen. Kein Wunder: Setschin selbst steht auf der US-Sanktionsliste. Der Verfall des Ölpreises auf unter 50 Dollar je Barrel verstärkt die Wirkung der westlichen Sanktionen gegen das Unternehmen, das größter Steuerzahler des Landes ist. Für Zukäufe fehlt nach der langen Akquisitionsparty das Geld, für die Refinanzierung der Schulden der freie Zugang zum westlichen Kapitalmarkt.

Von der Omnipotenz . . .

Über Jahre hat kein Zweifel geherrscht, dass Rosneft omnipotent ist und schluckt, was ihm über den Weg läuft. Schon der Aufstieg zur Nummer eins im Land im Jahr 2005 war dadurch ermöglicht worden, dass der Ölkonzern Yukos offenbar auf Betreiben von Setschin, der damals Vizestabschef im Kreml war, zerschlagen und Rosneft einverleibt wurde. China als Rosnefts großer Kunde stellte zum Teil das Geld in Form von Vorauszahlungen für künftige Lieferungen bereit und war auch wieder zur Stelle, als Rosneft Ende 2012 den landesweit drittgrößten Ölkonzern TNK-BP übernahm. 45 Mrd. Dollar wurden den Vorbesitzern dafür hingeblättert, dazu noch 19,75 Prozent der Aktien, die nun British Petroleum hält. Der Kauf von TNK-BP war jener Deal, der Rosneft zu einem der führenden internationalen Ölkonzerne machte und der sogar jene Akquisitionen in den Schatten stellte, mit denen Rosneft ganz nebenbei zu einem ernsthaften Spieler in der Gasförderung wurde.

. . . zur Katerstimmung

Selbst ohne Sanktionen und ohne Ölpreisverfall hätte Rosneft diese Fressorgie schwer verdauen können. Gewiss, im Jahr 2014 wurden die Schulden von 58 Mrd. Dollar um fast 19 Mrd. Dollar verringert. Rosneft kam zugute, dass im Jahr 2013 der Gewinn 17,3 Mrd. Dollar betragen hatte. In den ersten neun Monaten 2014 aber beläuft er sich erst gerade einmal auf 7,4 Mrd. Dollar. Und im vierten Quartal wird der Ölpreisverfall erst mit voller Wucht zu Buche schlagen. Ende des dritten Quartals wies Rosneft Nettofinanzschulden von 45 Mrd. Dollar aus, errechnet mit einem Wechselkurs von 35 Rubel je Dollar. Auf Basis des jetzigen Wechselkurses hätten sich diese Schulden (in Rubel) de facto verdoppelt.

Jedenfalls muss Rosneft heuer 19,5 Mrd. Dollar an Schulden bei den Banken tilgen. Westliche Banken kommen zur Refinanzierung nicht infrage. „Gerade die Finanzsanktionen haben die größten Auswirkungen auf Rosneft“, wird Valeri Nesterov, Analyst der Sberbank CIB, in der russischen Zeitung „Wedomosti“ zitiert: 2015 werde ein „gänzlich schweres Jahr“.

Als Ersatz für westliche Banken hat sich Rosneft anderweitig umgesehen und beim staatlichen Wohlfahrtsfonds um Geld angeklopft. Mitte Dezember dann konnte Rosneft inländische Rubel-Bonds im Wert von 625 Mrd. Rubel (etwa zehn Mrd. Dollar) platzieren. Die Aktion war allerdings dubios. Unklar ist, wer die Papiere gezeichnet hat. Als Spekulation kursiert, dass Rosneft die Gelder zur Schuldentilgung sofort in Dollar getauscht und so den Rubelabsturz am 15. und 16. Dezember mitausgelöst hat.

Nun sollen im ersten Quartal immerhin Vorauszahlungen aus China eintreffen. Dennoch: „Sollte der Ölpreis auf 60 Dollar je Fass fallen, müssen wir gewisse teure Projekte schieben“, sagte Setschin schon Ende November zur „Presse“. Viel Konkretes ist noch nicht bekannt geworden. Mit einem jedenfalls rechnen Analysten angesichts des zu erwartenden Verlusts nicht mehr: mit einer Dividende für 2014.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2015)

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