„Unbroken“: Überlebenskampf als Passionsschmonzette

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„Unbroken“, die zweite Regiearbeit von Angelina Jolie, fällt nach technisch versiertem Beginn ab in eine reaktionäre Durchhalteparole. Der Held, ein Kampfflieger, muss einen mythischen Opfergang antreten.

Dass eine Regisseurin einen Kriegsfilm ohne nennenswerte Frauenrollen inszeniert, gab's das letzte Mal bei Kathryn Bigelows „The Hurt Locker“. Jetzt legt Angelina Jolie, häufig unterschätzte, aber bestbezahlte Hollywoodschauspielerin, nach. „Unbroken“ heißt ihre zweite Regiearbeit: Diesmal hatte sie, anders als bei „In the Land of Blood and Honey“ (2011), auch ein ordentliches Budget. Und auf den ersten Blick meint man die 65 Millionen Dollar gut angelegt. Jolie eröffnet mit einer technisch exzellent umgesetzten Luftschlacht: Eine Truppe (sehr) junger Air-Force-Soldaten kämpft über dem Pazifik gegen japanische Bomber. Mit an Bord ist Louis Zamperini (Newcomer Jack O'Connell), ein „All American Boy“ mit italienischen Wurzeln, auf dessen Lebensgeschichte, zu Buch gebracht von US-Autorin Laura Hillenbrand, „Unbroken“ basiert.

„If I can take it, I can make it!“

Es ist eine beispiellose Biografie, eine, die sorgsam erzählt werden muss, um nicht ein teuflisches Konnotationskabinett aufzureißen: Die historische Figur von Louis Zamperini ist eine zu Verkitschungen einladende Projektionsfläche. Als Bub zeigt sich ihm sein großes Talent, als er Reißaus nehmen muss vor Erwachsenen, die ihn beim Saufen und Rauchen unter den Sportplatz-Tribünen erwischen. Das Laufen macht ihn bekannt: 1936 überrascht er bei den Olympischen Spielen in Berlin, er stellt einen neuen Rundenrekord auf, während im Hintergrund Hakenkreuzfahnen wehen. Vor der Abreise gibt ihm sein Bruder (und Trainer) noch jenen Satz mit auf den Weg, der zu seinem Leitgedanken wird: „If I can take it, I can make it.“

1943 stürzt Zamperinis Air-Force-Maschine in den Pazifik. Über vierzig Tage treibt er mit zwei Kameraden auf dem Ozean. Mit dem Fleisch einer Möwe ködern sie Fische, die sie roh verzehren. Während den seltenen Regenfällen reißen sie die Münder auf, um nicht zu verdursten. Zwei kommen durch: Zamperini selbst und sein Pilot Phil (Domhnall Gleeson) werden von einem japanischen Kriegsschiff aufgelesen und gefangen genommen. Bis dahin ist „Unbroken“ ein technisch durchaus versiert inszeniertes, konservativ gestimmtes, episch angelegtes Drama. Dann wird's problematisch: Jolies klassischer amerikanischer Heldenroman mutiert zur reaktionären Durchhalte-Schmonzette, die nicht nur aufgrund der abgründigen Darstellung der japanischen Soldaten, angeleitet vom sadistischen Mutsuhiro „The Bird“ Watanabe (der japanische Rocker Miyagi in seiner ersten, sehr undankbaren Filmrolle), ausgesprochen problematisch ist. Sondern vor allem, da Angelina Jolie den tatsächlich bewundernswerten Überlebenskampf von Zamperini in einen mythischen Opfergang verwandelt. „If I can take it, I can make it“, erinnert er sich und erträgt alle Schläge und Erniedrigungen der Japaner, zuerst mit Mühe, später immer stoischer.

Keine Nebenfigur erhält Gesicht und Charakter, nichts soll ablenken von dem einen, der alles Leid der Welt auf sich nimmt, ohne sich oder seine Nation zu verraten. Zamperini wird zur messianischen Figur und vieles an „Unbroken“ ruft Erinnerungen wach an Mel Gibsons „Die Passion Christi“. Fast schon als Parodie erscheint der letzte Folterakt: der vollkommen geschwächte Zamperini muss mit vorgehaltener Waffe einen großen Balken über dem Kopf balancieren. In der Silhouette wird die zuvor immer wieder angedeutete Christus-Analogie manifest: Hier wird einer für alle anderen gekreuzigt.

Abschied von allen Nuancen

Dass Angelina Jolie nicht unbedingt die Richtige für historische Stoffe ist, zeigte sich schon beim Regiedebüt „In the Land of Blood and Honey“. Die Geschichte einer verbotenen Liebe zwischen einem Serben und einer Bosnierin während des Bosnien-Kriegs verabschiedete sich von allen Nuancen, um eine grobe Anklage gegen Unmenschlichkeit zu fahren. Nach dem Weltkrieg kehrt Zamperini heim, kniet hin und küsst den US-Boden. Sogar den Japanern vergibt er schließlich. 1998 ist er als 80-Jähriger ein olympischer Fackelläufer bei den Winterspielen in Nagano. Archivmaterial davon beschließt „Unbroken“.

Das Pathos des Films begräbt auch alle anderen, zum Teil respektablen Leistungen: Hauptdarsteller Jack O'Connell beeindruckt zwar physisch, hat aber bis auf ausdauerndes Leiden wenig zu tun. Schuld ist das platte Drehbuch der sonst für ihre Sophistication bewunderten Coen-Brüder, die ihren Stammkameramann Roger Deakins mit ins Boot holten. Es hilft nichts: „Unbroken“ ist eine hübsch gefilmte Zumutung, politisch dubios und dramaturgisch ineffizient. Angelina Jolie hat derweil schon ihren nächsten Regiefilm abgedreht: „By the Sea“ erzählt von einem Paar, das in den 1970ern in Frankreich in eine Beziehungskrise schlittert. In den Hauptrollen: Brad Pitt und Jolie selbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2015)

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