„Er wird Auspeitschung nicht durchstehen“

NETHERLANDS SAUDI PROTEST
NETHERLANDS SAUDI PROTEST(c) APA/EPA/MARTIJN BEEKMAN (MARTIJN BEEKMAN)
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Der Blogger Raif Badawi soll heute erneut 50 Hiebe erhalten. Seine Frau bittet um Druck auf Regierung.

Kairo/Jeddah. Diesen Freitag ist es zum zweiten Mal wieder so weit: Der saudische Blogger und Aktivist Raif Badawi wird nach dem Freitagsgebet in Hand- und Fußfesseln auf einen der Plätze in der Stadt Jeddah vor der al-Dschafali Moschee geführt werden. Ein Polizeioffizier wird mit einer Rute hervortreten und 50 Mal auf den Rücken und die Beine Raifs einschlagen.

Geht es nach einem saudischen Gericht, wird sich diese Szene an den nächsten 19 Freitagen wiederholen. Raif war zu 1000 Peitschenhieben, 50 pro Woche, und einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Raifs Vergehen: Er hat mitten im erzkonservativ-islamischen Königreich eine liberale Webseite gegründet, in der er immer wieder das saudische religiöse Establishment kritisiert hatte.

Raif nahm sich dabei kein Blatt vor den Mund. „Sobald ein Denker seine Ideen offenlegt, wird er mit hunderten von Fatwas konfrontiert, nur weil er es gewagt hat, ein geheiligtes Thema aufzugreifen. Ich fürchte, arabische Denker werden auf der Suche nach frischer Luft auswandern und um dem Schwert der religiösen Autoritäten zu entkommen“, hieß es in einem seiner Einträge in seinem Blog, der seit seiner Verhaftung 2012 nicht mehr online ist.

„Es ging schnell, es gab keine Pause“

Eine Augenzeuge, dessen Name zu dessen Sicherheit nicht veröffentlicht wurde, hatte gegenüber der Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Szene beschrieben, als Raif vergangenen Freitag das erste Mal ausgepeitscht worden war. „Als die Moscheebesucher den Polizeitransporter vor der Moschee sahen, wussten sie, dass heute jemand ausgepeitscht wird. Sie haben sich in einem Kreis aufgestellt, zufällig vorbeikommende Passanten haben sich dazugesellt. ,Ist das ein Mörder? Ein Verbrecher? Betet er nicht?‘, haben sie gefragt“, beginnt er seine Schilderung. „Raif hatte Hand- und Fußfesseln angelegt, drückte seinen Rücken durch. Er war ganz still, aber man konnte sehen, dass er große Schmerzen zu durchleiden hatte“, berichtete er weiter. „Der Offizier zielte auf den Rücken und die Beine und zählte bis 50. Das ganze dauerte fünf Minuten. Es ging schnell, es gab keine Pause zwischen den Schlägen. Als es vorbei war, rief die Menge ,Gott ist groß‘, als ob Raif gereinigt worden wäre. Raif wurde zu dem Polizeitransporter zurückgebracht und ins Gefängnis gefahren.“

„Raif hat große Schmerzen“

Danach erklärte Raifs Frau Ensaf Haidar, die inzwischen in Kanada lebt, gegenüber Amnesty International, dass sie fürchte, ihr Mann würde eine zweite Runde von Schlägen nicht mehr körperlich durchstehen. „Raif sagte mir, er habe nach der ersten Auspeitschung große Schmerzen, sein Gesundheitszustand ist angeschlagen, und ich bin sicher, er wird eine zweite Runde nicht aushalten“, erzählt sie. „Ich habe unseren Kindern vergangene Woche alles erzählt, weil ich Angst hatte, sie könnten es in der Schule erfahren. Es war ein großer Schock für sie“, schildert die Ehefrau. Sie sei sich sicher: „Internationaler Druck wird entscheidend sein, und ich glaube, dass die Unterstützung für meinen Mann etwas bewirken kann.“

In den saudischen Medien wird über den Fall zwar berichtet, er wird aber nicht öffentlich diskutiert. Womöglich versuchen die saudischen Herrscher, für ihre Hardliner zu Hause ein Zeichen zu setzen, dass sie auch gegen prominente Liberale hart vorgehen. In den vergangenen Monaten haben die saudischen Sicherheitskräfte immer wieder radikale Scheichs festgenommen, die dazu aufgerufen haben, sich den Jihadisten des Islamischen Staates (IS) in Syrien oder im Irak anzuschließen. Die Festnahmen auf beiden Seiten zeigen das Lavieren der saudischen Herrscher zwischen den IS-Sympathisanten und der lauter werdenden liberalen Reformbewegung im eigenen Land. Den einen geht jede Öffnung zu weit, die anderen, oft eine neue Generation von Saudis, die im Ausland studiert haben, machen Druck für eine Modernisierung. In einem neuen Anti-Terror-Gesetz wird es Saudis untersagt, in den Jihad zu ziehen. Gleichzeitig stellt das Gesetz aber auch unter Strafe, die religiösen Fundamente des Landes zu hinterfragen. Diese Haltung zeigt die Widersprüche des Landes: König Abdullah versuchte bisher immer, es beiden Seiten recht zu machen. Jetzt ist er schwer krank, mit seinem Nachfolger könnte sich die saudische Politik in die eine oder andere Richtung verschieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2015)

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