Widerstand gegen Pegida: Das andere Dresden zeigt Flagge

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GERMANY COUNTER ANTI ISLAM DEMONSTRATION(c) APA/EPA/HENDRIK�SCHMIDT (HENDRIK�SCHMIDT)
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Kulturschaffende formieren sich zum Widerstand gegen die Pegida-Bewegung. Sie sehen die Bewerbung für die EU-Kulturhauptstadt 2025 in Gefahr.

Dresden zeigt Flagge. Lange hat die Kulturmetropole an der Elbe, das sogenannte Elbflorenz, den Wutbürgern der Pegida-Bewegung, den selbst ernannten „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlands“, und ihren Montagsmärschen das Terrain im barocken Stadtbild zwischen Zwinger und Frauenkirche überlassen. Doch mittlerweile setzen die Kulturschaffenden der Stadt einen Kontrapunkt gegen den Pegida-Protest, gegen die große Koalition in Berlin, ihre angebliche „Kriegstreiberei“ und die vermeintlich latente Islamisierung Deutschlands.

Den Anfang machte die Semperoper, die auf Betreiben der künstlerischen Leitung die Außenbeleuchtung bei einer Montagsdemo vor Weihnachten kurzerhand abschaltete – ein Beispiel, das später beim Kölner Dom Schule machte. Auf weißen Bannern prangen am Theaterplatz vor der Oper die Parolen „Türen auf. Herzen auf. Augen auf“ und der erste Artikel des deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Unter dem Motto „Für ein weltoffenes Dresden“ schlossen sich das Schauspielhaus und die Gemäldesammlung der Aktion an, die Museen werben für ein „großes Haus voller Ausländer“. Am First des Albertinums sind die alten Meister Michelangelo, Raffael und Leonardo in goldenen Lettern graviert, und in den Fenstern hängen Poster, die die Haltung des „anderen“ Dresden in Slogans subsumieren: „Dresden für alle“ und „No one is illegal“.

Ritualisierter Neonazi-Aufmarsch

Neulich machte sich ein Putztrupp junger Aktivisten, in gelben und orangen Schutzjacken gehüllt, mit Besen und Bürsten ans Werk, die Straßen der Altstadt symbolisch zu säubern. Die Initiative Dresdner Künstler sollte aufräumen mit „Vorurteilen und irrigen Parolen“, besorgt um das fatale Image im Ausland. Die Hauptstadt des Freistaats Sachsen bewarb sich um den Titel der EU-Kulturhauptstadt für 2025, doch nach einer Reihe von Negativschlagzeilen sehen viele die Kandidatur in Gefahr. Die Ermordung eines 20-jährigen Asylwerbers aus Eritrea, erstochen aufgefunden in einem Dresdner Plattenbau, und die Rücknahme eines Asylheims in einem Villenviertel der Stadt, fügen sich ins Bild.

Selbst Helma Orosz, Dresdens CDU-Bürgermeisterin, gestand indessen ein, dass die Reputation Kratzer erlitten habe – um nicht zu sagen „braune Patzer“. Der Aufmarsch der rechtsextremen Szene zum Jahrestag der Luftangriffe der Alliierten Mitte Februar, ritueller Treff der Neonazis aus ganz Deutschland, hat unrühmliche Tradition in Dresden.

Darum rief Orosz, zusammen mit Parteifreund und Ministerpräsident Stanislaw Tillich, am vorigen Samstag zu einer Anti-Pegida-Großkundgebung rund um die Frauenkirche auf. 35.000 Menschen versammelten sich am Vorplatz, zwischen den Statuen Martin Luthers und des Kurfürsten Friedrich August, die ihren Blick in die Weite schweifen lassen. „Deutschland ist für alle“, „Wir sind Dresden“, „Vielfalt statt Einfalt“ lauteten die Parolen auf den Transparenten. Höhnisch begrüßte ein Plakat die Gegendemonstranten: „Schön, dass ihr auch schon da seid.“

Im Dezember 1989 stand Kanzler Helmut Kohl vor den Ruinen der Frauenkirche und ließ sich im schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer als Held feiern. Statt „Frieden und Sozialismus“ skandierten manche „Wendehälse“ nun „Deutschland, einig Vaterland“. Unter „König Kurt“, dem CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, setzte die Renaissance der Stadt ein. In einem imposanten Kraftakt entschlossen sich Dresdner Bürger, die Frauenkirche – zu DDR-Zeiten ein Mahnmal der vom Faschismus heraufbeschworenen Zerstörung des Zweiten Weltkriegs – wieder aufzubauen. Seit zehn Jahren gilt die Frauenkirche als Stolz des Dresdner Bürgertums. Als Schlagerstar Roland Kaiser jetzt dort gegen Xenophobie auftrat, mutierte er prompt zum Buhmann der Pegida-Anhänger, darunter viele ehemalige Fans.

„Görliwood“, Hollywood an der Neiße

„In Chemnitz wird gearbeitet, in Leipzig gehandelt und in Dresden geprasst“: So charakterisieren die Sachsen die Arbeitsteilung unter den drei Städten. Es ließe sich noch hinzufügen: „In Görlitz wird gedreht.“ Seit Jahren kommen Hollywood-Produktionen nach „Görliwood“, in die unversehrte Altstadt an der Neiße an der polnischen Grenze, um historische Patina ins Licht zu rücken. Gerade überhäufte Hollywood Wes Andersons Komödie „Grand Budapest Hotel“, zum Gutteil im prachtvollen Görlitzer Warenhaus inszeniert, mit Oscar-Nominierungen. Auch Quentin Tarantinos „Inglorious Basterds“ fand in Görlitz einen adäquaten Drehort zu günstigen Preisen, detto „Die Vorleserin“. Eine anhaltend schlechte Presse könnte Hollywood à la longue freilich zum Rückzug veranlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2015)

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