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Regimegegner beim Geheimdienst

Slowakische Politiker und Bischöfe werden seit Jahren von ihrer Vergangenheit als Spitzel eingeholt. Wer Kontakte hatte, konnte sich der Stasi kaum entziehen.

Pressburg. „Der war doch immer ein Gegner der Kommunisten, der kann nicht mit dem kommunistischen Geheimdienst kollaboriert haben!“, sagen seine Freunde. Und der Verdächtigte rechtfertigt sich: „Ich hab denen doch nur völlig unbrauchbares Zeug erzählt, anstatt Wichtiges zu verraten.“

So lauten zwei der häufigsten Reaktionen, seit die Slowakei vor fünf Jahren begonnen hat, ihre StB-Vergangenheit so radikal wie kaum ein anderes Land aufzuarbeiten. Die Register aller Namen von Agenten und untergeordneten Mitarbeitern des tschechoslowakischen Geheimdiensts werden seit Ende 2004 vom Institut der nationalen Erinnerung (UPN) für jedermann direkt im Internet zugänglich gemacht. Nicht nur Betroffene, jeder Erwachsene ab 18 Jahren, egal ob In- oder Ausländer, kann sich aufgrund dieser Listen, ohne eine Begründung nennen zu müssen, Kopien der gesamten Akten jedes Agenten vorlegen lassen. Dafür ist dann allerdings mit längerer Wartezeit zu rechnen.

„Wir haben dafür die radikalste Gesetzesgrundlage aller Länder Mitteleuropas, sie ist konsequenter als etwa in der ehemaligen DDR“, erklärte der damals führende UPN-Mitarbeiter Miroslav Lehky nach dem Start der „Presse“.


Zilk-Gerücht glaubwürdig

Die Gerüchte über Helmut Zilk erschienen ihm schon damals glaubwürdig: „Wer solche Kontakte hatte und so prominent war, konnte sich einer StB-Kooperation kaum entziehen“, meinte Lehky in Übereinstimmung mit anderen StB-Experten, die auch auf Zilks Bewegungsfreiheit im Land hinwiesen. Akten von Helmut Zilk liegen in Pressburg (Bratislava) keine vor.

Der Journalist Tibor Macak hat mit der Aufarbeitung von spektakulären Fällen der Staatssicherheit (Statna bezpecnost – StB) in der Slowakei für Aufsehen gesorgt. Für Medien ist es eine Sensation, wenn sie im UPN-Archiv fündig werden. Experten mahnen aber auch zu Verständnis für Einzelschicksale, die wie möglicherweise Helmut Zilk wohl nicht aus Begeisterung mit der StB zu kooperieren begannen. Die StB bohrte nämlich bewusst gerade solche Menschen an, die prominente Gegner des Regimes waren. Denn gerade sie waren viel nützlicher als die Mitläufer und Mittäter, die sich auf keine Gratwanderungen zwischen Kollaboration und Gefängnis begaben.

So geriet noch vor Beginn der Arbeit des UPN ausgerechnet Jan Budaj, die oft als „slowakischer Havel“ bezeichnete Ikone der slowakischen Bürgerrechtsbewegung, sofort nach der Wende ins Zwielicht. Trotz seiner Rolle bei den Massenkundgebungen gegen die kommunistische Elite 1989 war er nach der Wende politisch tot, weil sein Name in einer Agentenliste auftauchte.

Einer der höchsten Würdenträger der katholischen Kirche, Erzbischof Sokol, zeigt bis heute unverhüllte Sympathien für das faschistische Tiso-Regime. Trotzdem machte er in der KP-Ära gerade ab dem Zeitpunkt eine raschere innerkirchliche Karriere, ab dem er in den StB-Agentenlisten aufschien. Der ehemalige EU-Experte des slowakischen Parlaments, Jozef Banas, bestreitet bis heute die Echtheit seiner Unterschrift unter der Zustimmung zur Kooperation mit dem Geheimdienst. Er soll unter anderem Paul Lendvai ausgehorcht haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2009)