Bezahlen: Statt der Karte mit dem Handy

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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2015, so hoffen viele, wird das Jahr des Mobile Payment. Bezahlen mit dem Handy soll endlich eine kritische Masse erreichen. Doch dahinter steckt weit mehr als die Akzeptanz der Bevölkerung. Es geht um Sicherheit, Technologie und wer sich im Handel und bei Banken durchsetzt. Auch heimische Start-ups mischen mit.

Die Stimmung in der Branche ist geschäftig, fast schon aufgeregt. 2015, spätestens 2016, soll Mobile Payment, also das Bezahlen mit dem Handy, sich in Österreich, aber auch im Rest von Europa durchsetzen. Das Handy als Medium zum Zahlen soll dann ein alltäglicher Anblick sein.

Tatsächlich dürfte es sich nur mehr um eine Frage der Zeit handeln. In den USA ist Mobile Payment bereits weiter verbreitet, ein sicheres Zeichen, dass der Trend auch bald nach Europa kommen wird. In Japan ist Mobile Payment ohnehin schon seit Jahren Alltag. Der entscheidende Faktor dabei: Die Technologien haben schon längst Marktreife erlangt. Banken, Mobilfunk-Betreiber, aber auch der Handel sind bereit, sich auf das Thema einzulassen.

Treibende Kraft sind in Österreich Start-ups, die ihre Ideen längst nicht nur für die Alpenrepublik entwickelt haben. Sie sehen ihre potenziellen Kunden in den Nachbarländern, in Europa, auf der ganzen Welt.

Wenn sie dort nicht bereits Fuß gefasst haben. So haben Länder wie Tschechien oder die Slowakei weitaus höhere Mobile-Payment-Quoten als das eher konservative Österreich (oder die noch konservativeren Deutschen).

Entscheidend im Kampf um die Durchsetzung sind die Technologien, die die Firmen entwickeln. Während die einen Handys mit Handys vernetzen, haben die anderen die kontaktlose Übertragungsmöglichkeit NFC für das Handy adaptiert. Andere wiederum nutzen EAN-Barcodes zum Zahlen. In einem sind sich aber alle einig. Mobiles Zahlen soll schnell, kundenfreundlich, aber auch sicher sein. Wobei bei Letzterem wohl noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.

Das wissen auch die Start-ups. Zweieinhalb Jahre haben etwa Markus Lobmaier und sein Team an der mobilen Geldbörse kWallet gearbeitet. 17 Mitarbeiter und ein Investitionsvolumen von drei Millionen Euro später, steht kWallet kurz davor, die Beta-Phase abzuschließen. „Das Feedback war überragend positiv“, sagt Lobmaier. kWallet arbeitet mit Bluetooth Low Energy (BLE). Zwei Handys werden einander auf fünf Zentimeter angenähert, verbinden sich über BLE, auf dem Empfänger-Smartphone erscheint der zu zahlende Betrag, der Kunde gibt seinen Pin ein, und schon ist alles erledigt. Weiters können auf kWallet Kundenkarten hinzugefügt werden, außerdem liefert es einen Überblick über die Zahlungen.

Derzeit funktioniert kWallet nur mit Visa und Mastercard und auf dem iPhone. Android und Windows sollen noch in diesem Jahr dazukommen, auch Maestro oder das Zahlen mit Bitcoin soll bald unterstützt werden. In der Betaphase konnte mit der elektronischen Geldbörse in acht Geschäften im siebten Bezirk bezahlt werden. Etwa in der spanischen Bar Lobo y Luna. Denn Events, Clubs, die Gastronomie und junge, mobilaffine Menschen sind im Moment noch kWallets erste Zielgruppe. Derzeit wird noch am kWallet-Terminal gearbeitet. Einem kleinen Chip, der in das Kassensystem integriert wird. Damit soll kWallet auch in großen Handelsketten wie Thalia verfügbar sein können.

Schnell, bequem, sicher? Für Lobmaier liegen die Vorteile des mobilen Zahlens in der Schnelle und der Bequemlichkeit. „Ich kann die Brieftasche eigentlich zu Hause lassen“, sagt er. Die Technologie sei derzeit „die sicherste auf dem Markt“. Das System sei so aufgesetzt, dass am Mobiltelefon keine persönlichen Daten gespeichert werden. Keine Kreditkartennummer, kein Name. Im Unterschied zur NFC-Technologie, bei der personenbezogene Daten lokal auf dem Handy gespeichert werden, fügt er hinzu. Sollte das Handy mit der kWallet-App also gestohlen werden, könne damit auch nicht bezahlt werden. Die kWallet-Zahlung kann nur mit einem fünfstelligen Code oder (beim neuen iPhone) mithilfe des Fingerabdrucks bestätigt werden.

Ähnliche Argumente bringt auch Kurt Schmid, der mit Nexperts bereits sein drittes Unternehmen gegründet hat (die anderen beiden hat er erfolgreich verkauft). Schmids Stimme wird merklich emotionaler, wenn er über die Sicherheit der NFC-Technologie spricht. Wurde das kontaktlose Bezahlen – bei neuen Bankomat- und Kreditkarten sind NFC-Chips fast ausnahmslos integriert – von Konsumentenschützern und Datenschutzexperten bereits mehrmals kritisiert. Die Karten könnten mithilfe einer App leicht ausgelesen werden, lautete die Kritik. Schmidt hält dagegen.

Er hat mit seiner Firma Wallegro herausgebracht. Eine Online-Geldbörse, die quasi die Bankomatkarte oder die Kreditkarte aufs Handy transferiert. Der Bezahlvorgang für den Kunden verläuft ähnlich wie bei kWallet. Man hält das Handy zum Empfänger (bei NFC sind es die kontaktlosen Bezahl-Terminals, die es in vielen Geschäften schon gibt), der Betrag erscheint auf dem Handy, und man gibt ihn mit einem Code frei. Erledigt. Unter 25 Euro kann man auch ohne Code bezahlen. Darüber braucht es einen. Wer will, kann schon vor der Kassa den Code eingeben und dann das Handy hinhalten. Damit soll das Zahlen noch schneller funktionieren.

Sicherheit im Interesse aller. Mehrere Vorgänge würden das Zahlen mit NFC auf dem Handy sicher machen, erklärt Schmid, einer davon sei die SIM-Karte, auf der wichtige Algorithmen gespeichert sind. Beim Zahlen wird mit der SIM-Karte kommuniziert. Weiters können zwar Kreditkartennummer oder Name ausgelesen werden, nicht aber der CVC-Code, der bei einer realen Kreditkarte auf der Rückseite steht. Beim Online-Bezahlen brauche es aber den CVC-Code.

„Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn das Bezahlen mit dem Handy unsicher wäre“, sagt Schmid. Dann hätten nämlich Banken, Mobilfunkbetreiber und der Handel ein Vertrauensproblem. „Deswegen sind unsere Sicherheitsauflagen sehr hoch.“

Beim Thema Mobile Payment ist er quasi schon ein Urgestein der Szene, hat er doch schon vor acht Jahren seine Firma Nexperts im oberösterreichischen Hagenberg gegründet. „Damals dachte ich, die NFC-Technologie würde sich schneller durchsetzen“, sagt er.

Rückblickend betrachtend habe die Durststrecke ihm jetzt einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Um sich über Wasser zu halten, hat Nexperts an Kundenbindungsprogrammen gearbeitet. Etwa kontaktlose Gutscheine für Firmen entwickelt und sich mit Kundenkarten auf dem Handy beschäftigt. In Wallegro wird das jetzt alles vereint. „Wirklich spannend ist das Mobile Payment, wenn man verschiedene Vorteile kombinieren kann“, sagt Schmid. „Dem Konsumenten ist es ja egal, ob er seine Karte hinhält oder das Handy, aber wenn ich gleichzeitig damit Angebote sehen, Punkte sammeln kann, dann hat das wirklich einen Mehrwert“, fügt er hinzu. Das technische Netz, auf das er zugreifen kann, ist schon jetzt groß. Unzählige große und kleine Firmen arbeiten bereits mit kontaktlosen Bezahlterminals, unter ihnen Billa und Hofer. Derzeit noch im Testbetrieb soll Wallegro Mitte 2015 mit Kreditkarten von Visa und Mastercard verwendet werden können.

Ein Barcode zum Zahlen. Veropay mit Sitz in Innsbruck ist schon über die Testphase hinaus. 2012 hat das Start-up mit dem Veropay Blue Code tatsächlich ein eigenes Bezahlsystem entwickelt – mithilfe von EAN-Barcodes, die in der App gespeichert sind. Ähnlich wie beim Bezahlen mit TAN gibt der Barcode die Zahlung an einer Kassa frei. Name oder Kontonummer wird auch hier nicht auf dem Handy gespeichert. „Der Kunde ist bei uns anonym. Die sensiblen Kontodaten bleiben dort, wo sie hingehören, im Bankrechenzentrum“, sagt Gründer Michael Suitner.

Für den Kunden funktioniert der Bezahlvorgang auch hier wie bei den anderen Mobile Payments. Die App wird nach Eingabe der PIN aufgerufen, die PIN löst einen Barcode aus, der vom Empfänger gelesen wird – damit wird bezahlt. Wobei auch hier der Code bereits im Voraus abgerufen werden kann. Derzeit funktioniert das System bei Billa, Merkur, Hartlauer und dem Supermarkt MPreis.
Abgerechnet wird ausschließlich über das Girokonto. 2015 sind weitere Expansionen geplant, nach Deutschland und hierzulande mit einer großen Bank und weiteren Händlern. Die Namen darf Suitner nicht nennen. „Unsere Händler behalten sich vor, das selbst zu kommunizieren.“ Mobile Payment scheint schon längst eine Frage des Images geworden zu sein.

Auf einen Blick

Zahlungsmittel

kWallet. Die mobile Geldbörse befindet sich in der Testphase und unterstützt mobiles Zahlen via Bluetooth Low Energy. k-wallet.com

Wallegro funktioniert mit NFC-Technologie. Die Kreditkarte (bald auch Bankomatkarte) wird auf das Handy übertragen. nexperts.com.

Veropay. Das Bezahlen funktioniert mithilfe eines Barcodes, der in der App aufgerufen wird. veropay.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

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