Fortpflanzungsmedizin: Nächste Verfassungswidrigkeit ist programmiert

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Nach dem Verbot der Fremdkindadoption durch Homosexuelle zeichnet sich schon der nächste Fall fürs Höchstgericht ab.

Wien. Politik ist die Kunst des Kompromisses. Diese alte Weisheit, die Idealisten oft davon abhält, überhaupt in die Politik zu gehen, bekommt durch das jüngste Urteil des Verfassungsgerichtshofes eine neue Dimension. Denn während sich unsere Volksvertreter in schwierigen Verhandlungen zu egal welchem Thema mühsam auf eine Variante einigen müssen, die möglichst alle Interessen zumindest ein wenig berücksichtigt, folgen die Höchstgerichte einer ganz eigenen Logik. Gerade in weltanschaulichen Fragen ist der kleinste gemeinsame Nenner dann eigentlich gar keiner. Jüngstes Beispiel: die Entscheidung zur Fremdkindadoption durch gleichgeschlechtliche Paare.

Auch wenn der Entscheid nun für einige Aufregung sorgt, war er doch eigentlich zu erwarten. Nicht, weil es juristisch keine andere Entscheidungsmöglichkeit gegeben hätte, sondern weil er im Geiste der bisherigen Wertung der Argumente liegt. Die Weichen dazu wurden schon durch die eingetragene Partnerschaft (einen politischen Kompromiss) gestellt. Wer damals Kritik übte und die Homo-Ehe, Homo-Elternschaft oder auch die Leihmutterschaft kommen sah, wurde als Schwarzmaler abgetan. Dabei liegen die Folgen zwar nicht in der Natur, wohl aber in der gewählten juristischen Logik der Sache – und wenn man ehrlich ist, auch in der von einigen Interessensgruppen offen geäußerten Absicht.

Juristisch hätte man dem Moment, dass die Verbindung zweier Männer bzw. zweier Frauen eben nicht das Gleiche ist wie jene von Mann und Frau, durchaus mehr Gewicht geben können. Auch der Tatsache, dass die Stiefkindadoption eine De-facto-Situation rechtlich absichert, bei der Fremdkindadoption aber ein Kind überhaupt erst neu in eine De-facto-Situation kommt, hätte eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Hat sie aber nicht. Insofern muss sich der Verfassungsgerichtshof den Vorwurf gefallen lassen, mit der Wertung der Argumente Politik zu machen. Da diese seine Politik aber durchaus erwartbar war und ist, liegt die Verantwortung für nachhaltige Gestaltung beim Parlament und den Regierungsparteien. Wer tatsächlich möchte, dass ein Kompromiss hält, muss sicherstellen, dass dieser der Prüfung und daher der Logik der Höchstgerichte standhält. Die nächste Gelegenheit dazu steht schon an. Bereits am kommenden Mittwoch soll das neue Fortpflanzungsmedizingesetz beschlossen werden.

Ungleiche Gen-Untersuchung

Wieder initiiert durch einen Entscheid des Verfassungsgerichtshofes müssen die Gesetzgeber ein Gesetz reformieren, dass nur so gespickt ist mit gesellschaftspolitischen Grundentscheidungen. Gleich drei heikle Themen werden abgehandelt: homosexuelle Elternschaft durch künstliche Befruchtung, Eizellenspende und die genetische Untersuchung des Embryos vor Transfer in den Mutterleib (Präimplantationsdiagnostik). Mindestens bei Letzterer ist die nächste Verfassungswidrigkeit nach beschriebener Logik vorprogrammiert. Denn während der politische Konsens zu lauten scheint, die genetischen Untersuchungen möglichst eng zu beschränken und ja kein „Designerbaby“ (ab wann auch immer man von Design spricht) zu ermöglichen, liegt die Krux und damit die Aufhebung durch die Höchstgerichte im Detail.

Um genetische Untersuchungen zu machen, gibt es verschiedenen Methoden. Im Konkreten direkte am Embryo und indirekte am Polkörper der Eizelle. Die Folge ist bei beiden die gleiche: Für die betroffenen und zumeist auch für die überflüssigen Embryonen ist Endstation. Absurderweise beschränkt der vorliegende Entwurf nun aber nur die direkte Untersuchung am Embryo – und zwar sogar relativ streng. Die indirekte Untersuchung aber wird überhaupt nicht beschränkt. Was in Folge heißt: Genetische Erbkrankheiten der Mutter (wie etwa ein bestimmtes Brustkrebsrisiko) können – selbst wenn sie keine „schweren“ sind – untersucht werden. Erkennbare, aber nicht so „schwere“ Erbkrankheiten väterlicherseits dürfen aber nicht getestet werden. Der Widerspruch liegt auf der Hand. Die nächste „Korrektur“ durch ein Höchstgericht ebenso. Außer, die Volksvertreter ringen sich durch und machen einen Kompromiss, der hält. In dem Fall etwa durch gleiche Behandlung aller Methoden. Auch wenn das nicht im Interesse mancher Anbieter der Polkörperdiagnostik ist, der einstimmigen Empfehlung der Bioethikkommission würde es entsprechen.


Dr. Merckens ist juristische Referentin des Instituts für Ehe und Familie der Bischofskonferenz und Mitglied der Bioethikkommission.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

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