Riad drohen turbulente Zeiten

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Wachsende Kritik aus dem Westen, fallende Ölpreise, außenpolitische Misserfolge und der IS könnten erstmals seit seiner Gründung das saudische Königreich ins Wanken bringen.

Lange Jahre schien der saudische Kosmos fest gefügt. Staatsgästen machte man weis, dass alle Probleme in der Region irgendwie mit dem Iran zusammenhängen. Die Ölmärkte spülten Rekordprofite in die eigenen Kassen. Westliche Kritik an Hinrichtungen oder Unterdrückung dämpfte das Königreich mit milliardenschweren Rüstungskäufen und Bauaufträgen. In Bahrain und Ägypten finanzierte Riad die Beerdigung des Arabischen Frühlings. Zu Iraks schiitischer Führung hielt man feindselig Distanz. Und die eigenen Untertanen wurden mit Gehaltserhöhungen und zehntausenden zusätzlichen Staatsjobs aus der Ölschatulle ruhig gestellt.

Seit einiger Zeit jedoch häufen sich Erschütterungen, wie lange nicht mehr. Der 90-jährige Monarch Abdullah liegt mit Lungenentzündung im Krankenhaus. Das Königshaus steht vor dem heikelsten Machtübergang seiner Existenz. Der Ölpreis erlebt einen Rekordverfall, der die saudischen Rücklagen rasch schmelzen lassen könnte. Und mit dem Islamischen Staat steht erstmals ein zu allem entschlossener sunnitischer Gegner vor der Haustüre, dessen selbst ernannter Kalif die saudische Staatsspitze als Hüterin der beiden heiligsten Stätten des Islam herausfordert. Zugleich praktizieren die Fanatiker die gleiche fundamentalistische Doktrin, wie sie ultrakonservative saudische Prediger mit milliardenschweren Missionsetats in aller Welt propagieren.

 

Der Fall des Bloggers Badawi

Zehn Menschen hat das Königreich seit Jahresbeginn den Kopf abschlagen lassen. Das Handyvideo von der Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi löste weltweit Empörung aus. Auch in Wien kam es zu Protesten, die die Diskussion um das umstrittene Abdullah-Zentrum wieder anheizten (siehe nebenstehenden Bericht). Kein Ereignis der letzten Jahre hat die Menschenrechtsbilanz Saudiarabiens so ins internationale Rampenlicht gerückt wie die Prügelszene vor der Al-Jafali-Moschee in Jeddah.

Auch bei Saudiarabiens regionaler Außenpolitik häufen sich die Fragezeichen. Der Versuch, Syriens Bashar al-Assad zu entthronen, ist gescheitert. Eine Stabilisierung des Jemen an der Südgrenze ist nach der Eroberung von Sanaa durch die schiitischen Houthis aussichtslos. Die befreundete sunnitische Königsfamilie Bahrains kann sich nur noch mit Repression an der Macht halten. Ägypten liegt seinen reichen Golfbrüdern immer schwerer auf der Tasche, ohne dass eine politische und wirtschaftliche Stabilisierung in Sicht wäre. Dagegen könnte Erzfeind Teheran heuer erstmals seit Jahrzehnten das Dauerjoch seiner internationalen Isolierung ein kleines Stück lüften.

Kein Wunder, dass in Riad die Nerven blank liegen. In der Bevölkerung rumort es. Eine entwickelte Zivilgesellschaft, die sich politisch artikulieren und über den künftigen Weg ihres Gemeinwesens debattieren darf, gibt es nicht. Ungeachtet dessen spielt das Königreich eine Schlüsselrolle für die Stabilität der Golfregion, allein schon wegen seines demografischen Gewichts. Kuwait, Qatar und die Emirate werden es rasch zu spüren bekommen, sollte der saudische Koloss ins Wanken geraten. Die plötzliche Kumulation von schlechten Nachrichten, außenpolitischen Misserfolgen und innenpolitischem Starrsinn jedoch traf das Wüstenreich unvermittelt. Dessen Führung steht die schwierigste Epoche bevor, seit Saudiarabien vor achtzig Jahren gegründet wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)


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