Ein Handbuch für den Kriegsfall soll die litauische Bevölkerung beruhigen: Sie hat Angst vor einer Invasion durch russische Truppen.
Vilnius. Hundert Seiten dick ist das Heft, in dem sich die Litauer über „Dinge, die man über die Bereitschaft in Notsituationen und im Kriegsfall wissen sollte“, schlaumachen können. Tipps wie „Behalten Sie einen klaren Kopf und brechen Sie nicht in Panik aus“ sollen die Bevölkerung auf einen Kriegsfall vorbereiten: „Schüsse direkt vor Ihrem Fenster bedeuten nicht das Ende der Welt.“
Anfang Jänner stellte der litauische Verteidigungsminister, Juozas Olekas, das Handbuch für den Kriegsfall vor – aufgrund der „außergewöhnlichen Aufmerksamkeit“, die die Bevölkerung Litauens der nationalen Sicherheit im Moment schenke. „Als Russland seine Aggression in der Ukraine gestartet hat, haben unsere Bürger hier in Litauen verstanden, dass unser Nachbar nicht nett ist“, sagte Olekas dem Nachrichtendienst Reuters.
Neubauten nur mit Luftschutzkeller
Die Ratschläge stützen Verteidigungsministerium und Feuerwehr auf die Erfahrungen aus dem Ukraine-Konflikt. So sollten sich die Litauer im Fall einer russischen Besatzung über Facebook und Twitter organisieren. Der Ratgeber empfiehlt vor allem zivilen Ungehorsam; neben Demonstrationen seien auch Bummelstreiks bei der Arbeit effektive Arten des Widerstands gegen den Feind. Aber nicht nur hypothetische Überlegungen gibt es: Die litauische Regierung prüft aktuell, ob Neubauten nur noch mit Luftschutzkellern genehmigt werden sollten.
Schritte gegen russische Propaganda
Das Nato- und EU-Mitglied Litauen gab sich gegenüber Moskau in den vergangenen Monaten besonders kritisch. Ein russischer TV-Sender darf seit Mitte Jänner wegen angeblicher Verhetzung nicht mehr senden; mehrere Männer wurden wegen vermuteter Spionagetätigkeit für Russland festgenommen. Auch forderte Litauen – gemeinsam mit Dänemark, Großbritannien und Estland– von der EU-Kommission, russischsprachige Alternativmedien zu schaffen, um EU-Bürger vor Propaganda zu schützen. In Litauen macht die russischsprachige Minderheit sechs Prozent der Bevölkerung aus, in den anderen baltischen Staaten, Estland und Lettland, jeweils rund 15 Prozent. (eup/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2015)