Spitäler: Ärzteprotest mit Nebenwirkungen

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Spitäler. Nicht nur die Wiener Ärzte verlangen höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen. In Kärnten und Oberösterreich spitzt sich die Lage zu. Erste Ambulanzen werden geschlossen.

Wien. Es war nicht genug Platz für alle Ärzte, die sich am Montagnachmittag ins Museumsquartier gedrängt hatten. Mehr als 1000, vielleicht sogar 1500 hatten sich in der HalleE und zum Teil davor versammelt, um einer allgemeinen Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen.

Mit so viel Unterstützung hatte nicht einmal der Veranstalter, die Wiener Ärztekammer, gerechnet, wie deren Präsident, Thomas Szekeres, zugab. Aber: „Das ist ein Zeichen.“ Ein Zeichen des Protests nämlich. Gegen die schlechten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Die ungenügende Gehaltssituation. Und die „fehlende Wertschätzung der Politik“, wie Szekeres meinte. Der Beifall sprach Bände.

Doch nicht nur die Wiener Spitalsärzte sind in Aufruhr. In Oberösterreich und Tirol ist die Lage immer noch angespannt, während in Kärnten gar nichts mehr geht. Die Verhandlungen mit dem Land wurden in der Vorwoche abgebrochen. Warum das auch für die Patienten keine guten Nachrichten sind: ein Überblick in Fragen und Antworten.

1. Warum kommt es gerade jetzt zu Protesten in den Krankenhäusern?

Kern des Problems ist das neue Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte. Seit Jahresbeginn dürfen sie im Schnitt nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten. Bisher waren es 60. Weil damit Zuverdienstmöglichkeiten wie Überstunden und Nachtdienste beschnitten werden, wollen die Mediziner höhere Grundgehälter.

Bemerkenswert ist, dass hinter dem Gesetz eine EU-Direktive steht, die 2003 ausgegeben wurde. Österreich hat die Vorgaben also mit zwölfjähriger Verspätung umgesetzt. Trotzdem stehen die Verwalter der öffentlichen Krankenhäuser, also die Länder, nun vor einem Problem: Wenn die Ärzte weniger arbeiten, müssen Leistungen für die Patienten gekürzt werden.

2. Haben alle Bundesländer bis zum letzten Moment zugewartet?

Mit einer Ausnahme: Ja. Nur Niederösterreich hat bereits 2012 reagiert und die 48-Stunden-Woche eingeführt. In der Steiermark haben sich Ärzte und Land im Oktober auf höhere Gehälter geeinigt, auch in Salzburg kam noch vor Jahresende eine Lösung zustande. Im Burgenland, in Vorarlberg und in den Wiener Landesspitälern gibt es vorläufig nur Übergangsregelungen.

3. Wie geht es in jenen Ländern weiter, in denen protestiert wird?

In Oberösterreich werden die Verhandlungen heute, Dienstag, fortgesetzt. Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) bleibt bei seinem Ansatz: Eine Gehaltserhöhung soll es nur für Jungärzte und den Mittelbau geben, da die Spitzenmediziner schon jetzt viel mehr verdienten. Die Ärztekammer und die Spitzenmediziner lehnen das ab.

In Tirol warten beide Seiten, Landesregierung und Kammer, noch ab. In Kärnten scheint das Verhältnis nachhaltig beschädigt. Nach wochenlangen, ergebnislosen Gesprächen hat sich Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) entschieden, die Ärztegehälter ohne Sanktus der Standesvertretung anzupassen. Nach seinen Vorstellungen. Und rückwirkend mit Jahresbeginn.

In Wien ist die Situation angespannt, aber „nicht so dramatisch“, räumte Kammerpräsident Szekeres ein. Er gehe davon aus, dass man sowohl mit dem Krankenanstaltenverbund als auch mit dem Wissenschaftsministerium, das für die AKH-Ärzte zuständig ist, zu einem Abschluss kommen werde. Und zwar „in den nächsten Wochen“.

Daneben haben die Wiener Ärzte aber weitere Forderungen: Sie wollen neue Arbeitszeitmodelle, gewisse Tätigkeiten an Diplompfleger abgeben und nicht mehr für bürokratische Dienste missbraucht werden. Damit soll der Exodus gestoppt werden. Nur sechs von zehn Medizinabsolventen blieben derzeit in Österreich, warnte Szekeres.

4. Welche Folgen hat all das für die Patienten?

Die Wartezeiten für Operationen – Akutfälle ausgenommen – werden länger, weil weniger Ärzte zur Verfügung stehen. Am Klinikum Klagenfurt war zuletzt von drei Monaten die Rede. Auch am Wiener AKH gibt es bereits Engpässe.

Geduld ist außerdem in den Ambulanzen gefragt – sofern sie erhalten bleiben. Das Krankenhaus Ried etwa schließt neurologische Spezialambulanzen und verweist die Patienten auf den niedergelassenen Bereich. Allerdings gibt es im Raum Ried nur einen Neurologen mit Kassenvertrag. Betroffen sind Patienten mit multipler Sklerose, Parkinson oder einem Schlaganfall.

Die Krankenkasse will das so nicht hinnehmen, immerhin habe das Spital einen „klaren Versorgungsauftrag“. Das letzte Wort dürfte hier noch nicht gesprochen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2015)

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