Wer schützt die Bürger vor den USA?

Österreich soll den US-Behörden Polizeidaten zur Verfügung stellen. Und lässt sich erpressen. Warum?

Seit Monaten verbreitet die neue Obama-Administration der USA laut und weltweit ihre Frohbotschaft von „hope“ und „change“. Dass die Vereinigten Staaten von Amerika in Fragen der (eigenen) nationalen Sicherheit auch unter dem neuen Präsidenten weder Spaß noch Kompromisse verstehen, das hat man in Europa in der allgemeinen Euphorie für den starken lieben Mann in Washington fast schon vergessen. Tatsache nämlich ist: Auch die neuen Machthaber halten an der an Paranoia grenzenden Vorstellung der Bush-Regierung fest, mit möglichst lückenloser Überwachung aller Erdenbürger einen zweiten 11.September verhindern zu können. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht. Dass aber schon 2001 der gigantische Überwachungsapparat von CIA und FBI, von NSA und NRO versagt hat, wird dabei gern ausgeblendet.

Wie ernst es den Amerikanern ist, bekommt derzeit auch das kleine Österreich zu spüren. Und es scheint fast so, als ob Teile der heimischen Verwaltung nicht einmal die Absicht haben, den Spähangriff des großen Bruders von der anderen Seite des Atlantiks zu hinterfragen. Es war wenige Wochen vor der Amtseinführung Obamas, als Stewart Baker, Staatssekretär im Heimatschutzministerium und einst ranghoher Mitarbeiter der gigantomanischen Abhörbehörde NSA, der österreichischen Botschaft in Washington einen Brief schickte. Bis Ende 2009, so die verklausulierte Forderung, erwarte er sich ein positives Ende der Verhandlungen darüber, ob die USA Zugriff auf Polizeidaten bekommen, die Informationen über verdächtige Straftäter und/oder Terroristen enthalten. Gleichzeitig stellte Baker der Republik die Rute ins Fenster, verknüpfte die visafreie Einreise österreichischer Staatsbürger in die USA mit einem grünen Licht für den Datentausch aus Wien.

Barack Obamas Amtseinführung hat an diesen Absichten nichts geändert, wie Beamte von Verfassungsschutz, Außenministerium, Bundeskanzleramt und dem Ministerium für Landesverteidigung Anfang dieser Woche bei einem (inzwischen nicht mehr) vertraulichen Treffen in Wien erfuhren. Die USA wollen mit aller Macht Einblick in die österreichischen Polizeicomputer, wollen wissen, ob neben der traurigen Figur des mutmaßlichen al-Qaida-Sympathisanten und Hobbyfilmers Mohammed M. auch Informationen über „echte“ Terroristen und andere einer Straftat verdächtigten Personen schlummern. Wenn man weiß, wie leicht man hierzulande als „Verdächtiger“ geführt wird, kommt das angesichts der faktisch nicht vorhandenen Datenschutzbestimmungen in den USA einer gefährlichen Drohung gleich.

Die Vertreter des sogenannten Terrorist Screening Center des FBI führten in Wien nämlich aus, dass sie es nicht als ihre Aufgabe sehen, die in das geplante Überwachungsnetz eingespeisten Informationen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn die Daten faktisch unbescholtener und zu Unrecht verdächtigter Personen in die Hände der wenig zimperlichen US-Behörden gelangen. Gnade dem, der so bei einer Personenkontrolle innerhalb der USA „identifiziert“ wird. Droht dann ein Aufenthalt in einem neuen Guantánamo?

Wie gefährlich allein die Existenz von Daten fälschlich verdächtigter Bürger ist, zeigen Zwischenfälle, die sich in Österreich zugetragen haben. In der Steiermark etwa gelangte ein unbescholtener Familienvater wegen der Verwechslung von mehrstelligen Internetadressen in den Dunstkreis eines Kinderpornorings. Und ein im Sicherheitsbereich tätiger Mitarbeiter des Flughafens Schwechat fiel wegen nachweislich falscher Geheiminformationen des Verfassungsschutzes durch die Sicherheitsüberprüfung und verlor seinen Job. Pech gehabt.

Das wahrhaft Gefährliche an einer Kooperation mit den USA ist, dass die hierzulande gültigen und vergleichsweise strengen Datenschutzbestimmungen jenseits des Atlantiks nicht gelten. Unabhängig von ihrer Richtigkeit können die Amerikaner Daten weitergeben oder ändern. Und das alles streng geheim unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Prinzip des Rechtsschutzes, der Information darüber, welche Informationen über einen selbst bei der Exekutive vorliegen, gibt es nicht.

Die „volle Kooperationsbereitschaft“ des Innenministeriums zeichnet ein trauriges Bild von Spitzenbeamten, denen das ehrfürchtige Abnicken unausgegorener Pläne der Immer-noch-Supermacht USA wichtiger ist als der Schutz der eigenen Bürger vor einem Datenmissbrauch internationalen Formats. Das Aus für die visafreie Einreise in die USA wäre im Vergleich dazu ein dummes, aber zu vernachlässigendes Problem.

USA wollen Österreichs Polizeidaten Seite 1


andreas.wetz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2009)

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