Der gesunde Absturz der Fracker

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Nicht nur die konventionelle Ölförderung wird durch den Preisverfall erschüttert. Auch die umstrittene Fracking-Industrie in den USA steht vor einer Strukturbereinigung.

Wien. Die Umwälzungen auf dem Ölsektor nehmen kein Ende. Während nämlich der niedrige Ölpreis einerseits als Konjunkturmotor für die Gesamtwirtschaft gefeiert wird, führt er in der Branche selbst zu signifikanten Einschnitten. Betroffen davon ist nicht nur die Förderung aus konventionellen, sprich leichter ausbeutbaren Lagerstätten, sondern auch das sogenannte Fracking, also die umstrittene Förderung von Öl und Gas aus Schiefergestein mittels giftiger Chemikalien. So hat gestern, Mittwoch, der australisch-britische Bergbaukonzern BHP Billiton mitgeteilt, dass er mit drastischen Maßnahmen auf den Ölpreisverfall reagiert und die Zahl der Bohranlagen, die er auf dem US-Festland betreibt, bis Ende Juli von 26 auf 16 reduziert. „Wir haben als Antwort auf die niedrigeren Preise schnell gehandelt“, so BHP-Chef Andrew Mackenzie.

Erste Pleiten

Der Ölpreis zwingt zum Reagieren. Seit dem Sommer hat er sich mehr als halbiert und notierte gestern Nachmittag bei 48,65 Dollar je Barrel der Nordseesorte Brent bzw. bei 46,96 Dollar je Barrel der für die USA bedeutsamen Sorte WTI. Einer der Gründe dafür, dass es zu diesem Preisverfall kam, liegt gerade im Schieferöl-Boom der vergangenen Jahre, mit dem die USA den Ölmarkt aufzumischen und den dominanten Förderländern wie Saudiarabien die Stirn zu bieten begannen.

Hat der Preissturz bereits zahlreiche Investitionsprojekte der konventionellen Förderung gestoppt und zu tausenden Kündigungen bei den Öldienstleistern wie Schlumberger oder Baker Hughes geführt, so fällt er mittlerweile auch der Fracking-Industrie selbst auf den Kopf. Nicht nur BHP Billiton reduziert seine Bohranlagen. In den vergangenen drei Monaten ging die Zahl der aktiven Bohrlöcher in den USA von 1609 auf 1421 zurück. Damit nicht genug, hat vor Kurzem das texanische Fracking-Unternehmen WBH Energy Konkurs angemeldet, weil ein Kreditgeber den Geldhahn abgedreht hatte.

Der Aktienkurs von Goodrich Petroleum beispielsweise ist binnen dreier Monate um 75Prozent gefallen, der von Continental Resources um 32Prozent. Es ist die Schuldenlast, die Anlegern Sorgen macht. So stand die Fracking-Industrie Schätzungen zufolge Ende des dritten Quartals 2014 mit rund 200 Mrd. Dollar bei Geldgebern in der Kreide - um 55Prozent mehr als im Jahr 2010. „Wenn ein Förderer extrem kreditfinanziert ist, könnte es für ihn eng werden“, meint Walter Boltz, Vorstand des österreichischen Energieregulators E-Control: „Es wird eine Strukturbereinigung geben, aber vielleicht keinen Rückgang der Produktion.“

Keine Neuinvestitionen

Diese war gerade in den USA durch billiges Geld befeuert worden. Seit 2010 war die Ölförderung von 5,6 Mio. Barrel pro Tag auf 9,3 Mio. Barrel pro Tag hochgeschossen. Auffällig ist, dass sie trotz Ölpreisverfalls in den vergangenen Monaten nicht zurückging. Dabei hatten Analysten schon Alarm geschlagen, als der Ölpreis bei 60 Dollar je Barrel angekommen war. In der Folge haben sie den Wert immer mehr herabgestuft. Wo die kurzfristigen Grenzkosten liegen, ab denen die Ausgaben für Förderung die Einnahmen übersteigen, ist nicht ausgemacht. Indirekt lasse sich im Moment aus den Analysen herauslesen, dass die Grenzkosten bei 15 bis 20 Dollar je Barrel liegen, erklärt Boltz. Zum Vergleich: Saudiarabiens Grenzkosten werden mit zwei bis vier Dollar beziffert. Im Unterschied zu Saudiarabien freilich, das mit der US-Förderung wetteifert, hängen die USA nicht vom Ölgeschäft ab.

In gewisser Weise sei der Fracking-Sektor über die Jahre auch verwöhnt gewesen, sodass die Erwartungen hoch lägen und durchaus Spielraum für Lohnkürzungen und andere Möglichkeiten, den Kostendruck zu minimieren, bestünde, meint Boltz: „Manche sagen, der Reinigungsprozess für die Branche sei nach den Exzessen bei den Löhnen nicht schlecht.“

In jedem Fall gehen Beobachter davon aus, dass aus den bestehenden Bohrlöchern auch bei geringerem Cashflow weiter gefördert werde, weil die Schließungskosten vielfach zu hoch seien. Einschneidender ist, dass die Neuinvestitionen im Moment zurückgehen, weil Fracking hohe Erstinvestitionen erfordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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