Die größte Armutsgefährdung geht vom ineffizienten Sozialstaat aus

Immerhin ist die Armut in Österreich trotz Krise nicht gestiegen. Aber allein um den Status quo zu halten, zahlen wir immer mehr Geld ins Sozialsystem.

Sie ist also wieder da. Sozialminister Hundstorfer hat sie ausgepackt, zeitgerecht zu den laufenden Verhandlungen zur Steuerreform greift er zur Schere, die, wie nicht anders zu erwarten war, „auseinandergeht“. Die Rede ist von der Einkommensschere, von der Schere zwischen Arm und Reich. Der Sozialbericht, der alle zwei Jahre erstellt wird, dient Hundstorfer als Argument für Vermögenssteuern. Und die Rechnung klingt ja durchaus einleuchtend: Man nimmt jenen etwas weg, die es ohnehin nicht spüren.

So gesehen war die Sektsteuer, die im März vergangenen Jahres eingeführt worden ist, nichts anderes als ein kleiner Probegalopp für kommende Reichensteuern. Ein Euro pro Liter Sprudel tut der mondänen Champagnerlaune der Wohlhabenden keinen Abbruch und füllt trotzdem die Staatskassen. So die einfache und banale Rechnung. Dieser Tage musste Finanzminister Schelling erstmals offizielle Zahlen auf den Tisch legen. Seine Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Neos ist wenig berauschend. Sie ist eher ernüchternd. Gerade einmal 3,95 Millionen Euro nahm der Staat in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres von den Champagnisierern ein. Ein Betrag also, der vermutlich nicht einmal den entstandenen Verwaltungsaufwand deckt.

Und richtig weh tut die Steuer nicht den Reichen, sondern den mittelständischen Herstellern. Sektproduzenten sprechen von Umsatzeinbußen von zehn bis 25 Prozent. Fazit: Die als Reichensteuer konzipierte Schnapsidee gefährdet die Arbeitsplätze in den Erzeugerfirmen.


Zu Zeiten eines Hugo Breitner war die Welt der Umverteilung noch in Ordnung. Der legendäre Wiener Finanzstadtrat finanzierte den sozialen Wohnbau bekanntlich mit Reichensteuern. Er war auch der Erste, der hierzulande eine Sektsteuer einführte, und eine Vergnügungssteuer obendrein. Diesem sozialen Mythos hängt die Sozialdemokratie offenbar noch immer nach. Und vergisst dabei, dass wir das Jahr 2015 schreiben und längst zum Umverteilungsweltmeister avanciert sind. Die Ausgaben für Sozialleistungen steigen in Österreich doppelt so schnell wie das allgemeine Wirtschaftswachstum, konstatierte zuletzt die liberale Denkfabrik Agenda Austria. Und trotzdem gelingt es dem zweitreichsten Land der EU nicht, die Armut in den Griff zu bekommen. Immerhin hat die Zahl der Bedürftigen und Armutsgefährdeten nicht zugenommen.

Trotz Krise, trotz steigender Steuerlast, trotz höherer Arbeitslosigkeit. Das ist ein Erfolg. Allerdings ein viel zu teuer erkaufter Erfolg. Nur noch ein Viertel der Bevölkerung zahlt unter dem Strich tatsächlich ins Sozialsystem ein. Und die sogenannten Nettotransferzahler werden von Jahr zu Jahr weniger. Von dieser Schere ist in den diversen Sozialberichten keine Rede.

Wir stopfen also immer mehr Geld ins Sozialsystem, um mit Ach und Krach den Status quo zu halten. Und auch kommende Vermögen- und Reichensteuern werden an dieser Misere nichts ändern. Die Armen werden deshalb nicht mehr Geld in der Tasche haben, sondern bestenfalls genauso wenig wie heute. Das Einzige, was zunehmen wird, ist die Abhängigkeit des Einzelnen von Vater Staat.


Schon heute erhält jeder zweite Staatsbürger sein Geld vom Staat. Staatsbedienstete, Pensionisten, Arbeitslosengeld- und Sozialhilfeempfänger, Zivil- und Präsenzdiener, Bezieher von Kinderbetreuungsgeld und, und, und. Knapp 3,4 Millionen Menschen sind es. Und genauso viele arbeiten in der sogenannten Privatwirtschaft. Noch.

„Man kann den Armen nicht helfen, indem man die Reichen vernichtet“, sagte schon Abraham Lincoln. Ein wenig pathetisch, zugegeben. Und die Armut, die wir heute in Österreich meinen, hat nichts mit jener in den 1920ern in Wien oder 1860ern in den USA zu tun. Aber es gibt sie. Es gibt Menschen, die mit 800 Euro im Monat auskommen müssen. Ihnen ist nicht mit einem überbürokratisierten, immer ineffizienter werdenden Schuldenstaat geholfen, sondern mit einem Staat, der die soziale Verantwortung zuallererst bei sich selbst sucht. Jeder Euro, den er an Bürokratie einspart, ist auch ein Euro gegen die Armut.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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