Psychischer Stress treibt Frauen in die Frühpension

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52 Prozent der weiblichen Angestellten gehen wegen psychischer Erkrankungen vorzeitig in Invaliditätspension. Die Armutsgefährdung sinkt trotz hoher Sozialausgaben in Österreich kaum.

Wien. Sozialminister Rudolf Hundstorfer ist noch bis kommenden Montag nach seinem Beckenbruch in Rehabilitation. Sein Ressort hat inzwischen auf 400 Seiten im neuen Sozialbericht 2013/14, der der „Presse“ vorliegt, eine Bestandsaufnahme über die Lage der Österreicher fertiggestellt. Darin werden einige alarmierende Trends aufgelistet: Viele Frauen treibt der psychische Stress in Frühpension; praktisch jede fünfte Frau bezieht eine Doppelpension; im Schnitt liegt die Pension der Frauen nach wie vor deutlich unter jener der Männer. Hundstorfer leitete im ORF-Radio aus dem Bericht den Auftrag für Vermögensteuern im Zuge der Steuerreform ab, um die soziale Kluft zu verringern.


Männer und Frauen gehen aus deutlich unterschiedlichen Gründen in Invaliditätspension. Der im Schnitt besonders frühe Antritt einer Invaliditätspension ist ein Hauptgrund, warum das Pensionsantrittsalter in Österreich kaum steigt. Frauen gingen 2013 im Schnitt mit 49,7Jahren wegen Erkrankung in Pension, Männer mit 53,5Jahren. Insgesamt gingen die Österreicher in der gesetzlichen Pensionsversicherung (ASVG, Bauern, Gewerbe) mit 58,5Jahren in Pension. Im Vorjahr geschah das nach Verschärfungen bei den Invaliditäts- und Hacklerpensionen im Schnitt später – mit 59,7 Jahren. Auffallend ist, dass die Zahl der Frauen, die wegen psychischer Gründe in die Invaliditätspension gehen, sich seit 1995 verdreifacht hat. Der Trend hat sich verfestigt: Praktisch jede zweite Frau geht wegen psychischer Erkrankungen vorzeitig in Pension, bei weiblichen Angestellten waren es 2013 sogar 51,9Prozent. Bei den Männern sind mit 29,2 Prozent hingegen nach wie vor typische Krankheiten des Stützapparats der Hauptgrund.

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Zahl der Mehrfachpensionen nimmt zu: Jede fünfte Frau bezieht eine Doppelpension. Frauen beziehen im Regelfall wegen der höheren Lebenserwartung die Pension länger. Da Frauen zunehmend erwerbstätig sind, haben sie häufiger einen eigenen Pensionsanspruch. Zugleich steigt damit – wegen der Witwenpensionen – die Zahl der Bezieherinnen von Mehrfachpensionen „überdurchschnittlich“, wie es im Sozialbericht heißt. Werden Mehrfachbezüge aus Beamtenpensionen eingerechnet, beziehen 21,6 Prozent der Pensionistinnen, also etwa jede fünfte, eine Doppelpension, bei Männern sind es sechs Prozent.


Im Durchschnitt deutlich niedrigere Pensionen für Frauen. Frauen hinken bei der Höhe der Pensionen – in erster Linie wegen weniger Erwerbsjahren – allerdings weiter stark hinter den Männern nach. Ein Mann in Alterspension erhielt 2013 im Schnitt 1656 Euro brutto im Monat, eine Frau 1084 Euro brutto.


• Fast 1,6 Millionen Österreicher sind von Armut oder Ausgrenzung gefährdet. 18,8 Prozent der Bevölkerung (1,572Millionen Menschen)sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet (dazu zählt unter anderem, wer ein Nettohaushaltseinkommen von weniger als 60Prozent des Medians aller Einkommen hat). In Europa ist dieser Anteil in der Bevölkerung von 2008 bis 2013 leicht auf 24,5 Prozent gestiegen. In Österreich ist diese Zahl trotz Wirtschaftskrise im gleichen Zeitraum von 20,6 auf 18,8 Prozent zurückgegangen.

Während die Armutsgefährdung sinkt, steigt die Einkommensungleichheit: Der Gini-Koeffizient (bei null herrscht absolute Gleichverteilung, bei eins erhält einer alles) ist von 0,448 im Jahr 2008 auf 0,456 im Jahr 2012 gestiegen. Die Einkommen stiegen von 2000 bis 2010 um drei Prozent pro Jahr, Gewinne und Vermögen um 4,5 Prozent.

AUF EINEN BLICK

Sozialbericht. Alle zwei Jahre legt das Sozialministerium den Befund über die soziale Lage in Österreich vor, jetzt für die Jahre 2013/14. Minister Hundstorfer leitet daraus Folgen für die Steuerreform ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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