Die Rebellion der Hietzinger Wutbürger

Projekt Hörndlwald
Projekt Hörndlwald(C) Skyline architekten ZT GmbH
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Warum Rot-Grün-Politiker ausgebuht werden, den Angaben des Projektbetreibers nicht geglaubt wird und der Stadtverwaltung Geldmotive beim Projekt Hörndlwald unterstellt werden: Protokoll einer Bürgerversammlung.

Wien. Es dürfte nicht allzu oft vorkommen, dass die gutbürgerlichen Hietzinger zu Wutbürgern werden. Doch das geplante Projekt einer Burn-out-Klinik im Hörndlwald (einem geschützen Ausläufer des Wienerwalds nahe dem Lainzer Tiergarten) treibt viele besorgte Anrainer seit Wochen auf die Barrikaden. Und am Dienstagabend entlud sich diese Stimmung bei einer Bürgerversammlung in der Volkshochschule Hietzing: Vor allem gegen den Betreiber der Klinik und vor allem gegen die Roten und die Grünen, die das Naturdenkmal Hörndlwald zerstören wollten.

Der große Saal der VHS ist zum Bersten voll, etwa 400 Menschen sind gekommen, um an der fast drei Stunden dauernden höchst emotionalen Diskussionsveranstaltung teilzunehmen. Der Moderator, Ex-ÖVP-Gemeinderat Franz Ferdinand Wolf, hat fast Mühe, Wortmeldungen, Zwischenrufe und Buhrufe der aufgebrachten Bürger in den Griff zu bekommen. Die Veranstaltung wird auch ins Hietzinger Amtshaus übertragen, wo weitere 100Menschen via Videoschaltung dabei sind.

Die Bürgerversammlung wurde von der schwarz geführten Bezirksvertretung mit Unterstützung der FPÖ, die sich auch vehement gegen das Klinik-Projekt wendet, beschlossen. Für VP-Bezirkschefin Silke Kobald ist es somit ein „freundliches Umfeld“. Applaus ist ihr also sicher, als sie zur Einleitung davon spricht, dass man über den Bezirk „drübergefahren“ sei (tatsächlich wurde sie erst eine Stunde vor der offiziellen Bekanntgabe des Projekts informiert) und dass „die Bürgerrechte nicht ernst genommen wurden“ (ca. 8000 Unterschriften gegen das Projekt).

Heiß wird es erstmals, als Kobald aufzählt, wer die Einladung zur Diskussion abgesagt hatte: Die Nennung von Stadtrat Ludwig und den Stadträtinnen Sima und Wehsely zieht Buhrufe nach sich. Ganz besonders aber die Nennung von Grünen-Chefin Vassilakou. Viele Freunde der rot-grünen Stadtregierung sind offenbar nicht im Saal. Zwar kann auch der Chef der Hietzinger SPÖ und eine Vertreterin der Hietzinger Grünen ihre Position darstellen („Die Verbauung betrifft nur einen kleinen Teil des Waldes.“ – „Es handelt sich um ein soziales Projekt.“), die Argumente gehen aber im Tumult unter.

Weshalb gerade hier?

Nachdem die eigentlich Verantwortlichen aus der Politik am Podium nicht zugegen sind (eine Vertreterin der MA 69 kann nur zu technisch-rechtlichen Aspekten antworten), richtet sich der Zorn gegen den Klinik-Betreiber Pro Mente Reha, einer gemeinnützigen Gesellschaft, die medizinisch-psychiatrische Rehabilitationseinrichtungen baut und betreibt. Deren Geschäftsführer Christian Rachbauer sowie ihr Architekt Udo Schuster müssen sich einiges anhören, auch persönliche Attacken hinnehmen. Ihren Beteuerungen, dass die Klinik in die Landschaft passe, dass nur 80 Patienten vorgesehen seien, dass wenig Verkehr entstehe, glaubt niemand.

Tatsächlich können sie die Befürchtung vieler Redner, dass das Projekt nach der ersten Phase weiter in den Hörndlwald hinein vergrößert wird, nicht wirklich entkräften. „Mit der geplanten Patientenzahl können Sie das Projekt niemals wirtschaftlich führen“, sagt ein Redner, der selbst aus dem Spitalsbereich kommt. „Also müssen Sie es bald ausbauen.“ Bauexperten und Architekten im Saal bezweifeln die Angaben über den zu erwartenden Verkehr oder die Zahl der Lkw-Fahrten, die alleine für den Erdaushub anfallen.

Warum gerade dieser Standort? Diese Frage taucht immer wieder auf und wird nur unzureichend beantwortet. „Wir haben nichts gegen so ein Projekt in Hietzing, aber warum nicht an geeigneteren Standorten“, fragt ein Bürger. So etwa auf dem Gelände des ehemaligen Geriatriezentrums Lainz oder beim Neurologischen Krankenhaus Rosenhügel. Die Antwort: Ein Spital-Umfeld sei für Burnout-Patienten nicht förderlich.

Ex-Vize-Bezirkschefin Dorothea Drlik hat ein anderes Argument parat: „Es geht schlicht ums Geld“, sagt sie. Tatsächlich würde die geforderte Renaturierung des Areals (früher stand dort das inzwischen abgerissene Afritsch-Heim) keine Einnahmen für die Stadt bringen; der Baurechtsvertrag mit Pro Mente aber sehr wohl – nämlich etliche Millionen pro Jahr. Viel Spielraum bleibt nicht, denn das Projekt war schon im Gemeinderat. Die Bezirkschefin appelliert an die Betreiber, den Standort noch einmal zu überdenken. Und es solle ein Bürgerbeteiligungsverfahren geben und der Bezirk besser eingebunden sein. So mancher Diskussionsteilnehmer zweifelt aber, dass das Rathaus mehr tut, als die Wünsche zur Kenntnis zu nehmen.

(C) DiePresse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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