Ukrainische Armee gibt Flughafen Donezk auf

Beim Granateinschlag starben mehrere Menschen
Beim Granateinschlag starben mehrere Menschen REUTERS
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Der Einschlag einer Granate an einer Bushaltestelle mit 13 Toten bedeutet einen Dämpfer für die Friedensbemühungen.

Die ukrainische Armee und Freiwilligenverbände habenden Fluhafen von Donezk aufgegeben. Großes Aufsehen erregte am Donnerstagmorgen eine Nachricht des ukrainischen Freiwilligenbataillons "Asow", das per Statusmeldung auf Facebook bekannt gab, die ukrainischen Verbände hätten sich vom lange umkämpften Flughafen Donezk zurückgezogen.

"Die heldenhafte Verteidigung dauerte 242 Tage", hieß es in der Stellungnahme, "länger als die Verteidigung Stalingrads oder Moskaus" im Zweiten Weltkrieg. Der Flughafen sei in der extrem schwierigen Umgebung nicht mehr zu halten gewesen. Ein Sprecher des Militärs bestätigte später den Entschluss des Rückzuges. Man gehe auf neue Verteidigungspositionen.

Öffentliche Demütigungen

Nur wenige Studen nach der Einahme stellten prorussische Separatisten ukrainische Soldaten öffentlich zur Schau, die bei den Kämpfen gefangen genommen worden waren. Etwa 20 Gefangene wurden vom Flughafen durch die Stadt bis an den Ort geführt, an dem am Morgen ein Bus von einer Granate getroffen worden war. Dutzende Einwohner folgten der Aufforderung der Separatisten, sich die Gefangenen anzuschauen.

Vor dem Rürckzug der ukrainischen Truppen hatte es noch geheißen, dass die Armee weiter einen Teil des Flughafens kontrolliere. Sie gab den Tod von sechs Soldaten bekannt, die Separatisten sprachen von acht Gefallenen in ihren Reihen.

Die NATO äußerte sich besorgt über die Landgewinne der  Separatisten. "Die Kämpfe haben zugenommen und ein Level erreicht, das dem vor der (Waffenruhe-)Vereinbarung entspricht - teilweise geht es sogar darüber hinaus", sagte der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa, US-General Philip Breedlove, in Brüssel.

Mehrere Zivilisten sterben bei Beschuss

Durch einen Granatenbeschuss auf eine Bushaltestelle wurden am Donnerstag 13 Menschen getötet. Ein Geschoss schlug in einen Oberleitungsbus ein. Der Angriff ereignete sich in einem bisher von Kämpfen weitgehend verschonten Stadtviertel.

Die Regierung in Kiew machte für die Tragödie die prorussischen Kämpfer verantwortlich. Die Stellungen der Armee seien zu weit entfernt. "Durch solche terroristischen Attacken sterben friedliche Ukrainer. Russland muss die Terroristen stoppen", schrieb Außenminister Pawel Klimkin am Donnerstag bei Twitter. Ähnlich äußerte sich Premier Arseni Jazenjuk.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow gab dagegen der  ukrainischen Regierung die Schuld am Tod der Zivilisten.  "Es wird immer offensichtlicher, dass die Partei des Krieges in Kiew und ihre Unterstützer im Ausland vor zivilen Opfern nicht zurückschrecken", sagte er in Moskau. Das "ungeheuerliche Verbrechen" sei eine "grobe Provokation", die gegen die internationalen Friedensbemühungen gerichtet sei.

Abzug schwerer Waffen

Die Außenminister Russlands und der Ukraine, Lawrow und Klimkin, hatten sich am Mittwochabend bei einem Treffen in Berlin auf den Abzug schwerer Waffen aus der Krisenzone verständigt - ausgehend von der bereits am 19. September vereinbarten Demarkationslinie.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der wie auch sein französischer Kollege Laurent Fabius an dem Treffen teilnahm, sprach von "wahrnehmbaren Fortschritten", die allerdings keinen Durchbruch bedeuteten.

"Sollte es tatsächlich zur Realisierung dessen kommen, was wir heute vereinbart haben, dann sind wir jedenfalls heute ein Stück näher an dem Gipfel in Astana", sagte Steinmeier. Gemeint ist ein Vierer-Gipfel mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, sowie mit Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Francois Hollande in der Hauptstadt Kasachstans, Astana, der eigentlich schon Mitte Jänner stattfinden sollte.

Bei den Gesprächen geht es im Kern um die Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk aus dem September. Zuletzt haben die Kämpfe zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen wieder zugenommen.

Bereits viertes Treffen in Berlin

Das Außenministertreffen zur Lösung der Ukraine-Krise war das vierte dieser Art in Berlin. Zählbare Fortschritte hatte es bisher bei keinem der Treffen gegeben. Der jetzt vereinbarte Abzug der schweren Waffen soll von einer seit längerem bestehenden Kontaktgruppe organisiert werden.

Lawrow hatte bereits vor dem Treffen gesagt, die prorussischen Aufständischen seien bereit, ihre jüngsten Landgewinne aufzugeben und sich hinter die im September vereinbarte Frontlinie zurückzuziehen. Ausgehend von dieser Trennungslinie sollen nach der Minsker Vereinbarung die Regierungstruppen und die Separatisten jeweils 15 Kilometer weit ihre Waffen mit einem Kaliber von mehr als 100 Millimetern abziehen. Dadurch soll ein insgesamt 30 Kilometer breiter entmilitarisierter Korridor entstehen.

Kiew: 9000 russische Soldaten in Ukraine

Steinmeier sagte, Russland habe versichert, seinen Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine geltend zu machen. "Jetzt müssen wir hoffen, dass das geschieht, und dass das Folgen hat."

Noch kurz vor dem Treffen hatte Poroschenko Russland erneut der Aggression gegen sein Land bezichtigt. Mehr als 9000 russische Soldaten würden sich nach Erkenntnissen von Geheimdiensten mittlerweile samt Panzern und anderer Militärtechnik im Osten der Ukraine aufhalten. In Kiew kündigte Regierungschef Jazenjuk eine Vergrößerung der Armee um 68.000 Soldaten auf 250.000 Mann an.

(APA/dpa/AFP)

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