Bereits 5000 Tote im Ukraine-Konflikt

Prorussische Aufständische rücken bei Donezk vor.
Prorussische Aufständische rücken bei Donezk vor.Reuters
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Die Zahl der Opfer in der Auseinandersetzung zwischen ukrainischer Armee und Aufständischen steigt laut der UNO rasant an. Der Mord an einem pro-russischen Bürgermeister könnte den Konflikt weiter anheizen.

Die Kämpfe in der Ukraine werden immer massiver. In den vergangenen neun Tagen seien 262 Menschen bei den Gefechten zwischen Armee und Separatisten ums Leben gekommen - "der tödlichste Zeitraum" seit September 2014, sagte am Freitag UN-Menschenrechtssprecher Rupert Colville in Genf. Laut Schätzungen der UNO und der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) ist damit die Zahl der Todesopfer seit Beginn des Ukraine-Konflikts auf mindestens 5086 gestiegen. "Wir befürchten, dass es auch mehr sein könnten", sagte Colville.

Erst am Donnerstag sind bei dem Beschuss einer Bushaltestelle im ostukrainischen Donezk mit Granaten laut OSZE mindestens acht Personen ums Leben gekommen. Andere Quellen sprachen auch von neun oder sogar 13 Todesopfern. Regierungseinheiten und Aufständische geben einander die Schuld an der Tragödie. Der UNO-Sicherheitsrat und die Europäische Union verurteilten den Angriff und forderten eine unabhängige Untersuchung.

Pro-russischer Bürgermeister erschossen

Im Gebiet um die Stadt Lugansk in der Ostukraine ist am Freitag unterdessen der Bürgermeister einer von prorussischen Separatisten kontrollierten Kleinstadt erschossen aufgefunden worden. Die Leiche von Jewgeni Ischtschenko, Oberhaupt der 38.000-Einwohner-Stadt Perwomaisk, sei zusammen mit drei weiteren Toten entdeckt worden, berichteten örtliche Medien. Die Behörden der Separatistenhochburg warfen dem ukrainischen Geheimdienst den Mord an dem 45-jährigen Bürgermeister vor. Zuletzt hatte es aber auch Gerüchte über Machtkämpfe in den Reihen der moskautreuen Aufständischen gegeben.

Vorstöße im Donbass-Gebiet

Die prorussischen Aufständischen haben am Freitag eine neue Großoffensive angekündigt. Es solle die gesamte Krisenregion erobert werden - gegebenenfalls auch über die Gebietsgrenze von Donezk hinaus, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko laut örtlichen Medien in Donezk.

"Falls ich eine Gefährdung für die Donezker Erde von irgendeiner Siedlung aus sehe, werde ich diese Gefahr auch dort beseitigen", drohte er. Bewaffnete Kräfte der selbstproklamierten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk (Luhansk) würden derzeit auf mehrere Orte in der Unruheregion Donbass vorstoßen.

Kiew spricht von "russischen Terrorgruppen"

Der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates in Kiew, Alexander Turtschinow, sprach hingegen von "regulären Einheiten der russischen Streitkräfte", die eine Offensive gestartet hätten. Die "russischen Terrorgruppen" griffen praktisch entlang der ganzen Frontlinie an, "nahe bei Donezk und im Süden". Die ukrainischen Streitkräfte hätten die Lage aber unter Kontrolle und würden zum Gegenangriff ausholen.

Rebellenführer Sachartschenko sagte zudem, dass es vorerst keine Angebote einer Feuerpause vonseiten der Aufständischen an die Zentralregierung in Kiew mehr geben wird. Mit der Regierung in Kiew würden die Aufständischen lediglich Gespräche über einen Gefangenenaustausch führen.

"Wir wollen mit Poroschenko sprechen"

Als Verhandlungspartner erkenne er nur noch den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko an, sagte Sachartschenko. Die bisherige Besetzung der Ukraine-Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk sei "sinnlos". "Wenn Poroschenko kommt, werden wir sprechen", meinte der Separatistenführer.

Poroschenko kam am Donnerstagabend mit seinen wichtigsten Ministern zu Beratungen über die Lage im Osten des Landes zusammen. Dabei habe er angeordnet, bei Verstößen gegen die in Minsk im September vereinbarte Waffenruhe "dem Feind eine aufs Maul zu hauen", zitierte die russische Agentur Ria Nowosti Poroschenkos Sprecher Swjatoslaw Zegolko.

Die Außenminister der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands hatten am Mittwochabend in Berlin vereinbart, dass die Konfliktparteien ihre schweren Waffen aus einer Pufferzone entlang einer Demarkationslinie abziehen. Russland sicherte zu, in diesem Sinne auf die Rebellen einzuwirken.

(APA/dpa/Reuters/AFP/red.)

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