Washington und Riad, zur Freundschaft verdammt

U.S. President Barack Obama pauses while speaking during a visit to the University of Kansas in Lawrence
U.S. President Barack Obama pauses while speaking during a visit to the University of Kansas in Lawrence(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
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US-saudisches Verhältnis. Die Umbrüche im Nahen Osten schweißen die einander fremden Nationen zusammen.

Washington. Das Kondolenzschreiben von Barack Obama zum Tod des saudischen Herrschers Abdullah spitzt die Paradoxie des sieben Jahrzehnte alten Verhältnisses zwischen den beiden Nationen zu. „Während unsere Länder damit befasst waren, viele Herausforderungen zu bewältigen, habe ich König Abdullahs Perspektive und unsere echte und warme Freundschaft stets geschätzt“, ließ der amerikanische Präsident mitteilen. „Als Führer war er stets aufrichtig und hatte den Mut, zu seinen Überzeugungen zu stehen.“

Diese Worte sind dem diplomatischen Protokoll geschuldet, in Wahrheit trennte die beiden Männer ebenso viel wie ihre Völker. Denn die Amerikaner und die Saudis sind einander sehr unfreundlich gesinnt. 74 Prozent der befragten Saudis sagten in einer im Juni 2014 veröffentlichten Umfrage des Arab-American Institute in Washington, sie hätten eine schlechte Meinung von den USA. Die Abneigung ist beiderseitig: Nur 36 Prozent der befragten Amerikaner erklärten im Februar 2014 gegenüber Gallup, Saudiarabien gegenüber positiv eingestellt zu sein.

Roosevelt, Saud, das Öl, die Juden

Kulturelle und weltanschauliche Unvereinbarkeiten prägen das Verhältnis der beiden Nationen, seit sich ihre Führer im Februar 1945 im Suezkanal auf dem Deck des Kreuzers „U.S.S. Quincy“ erstmals persönlich begegneten. Präsident Franklin D. Roosevelt wollte von König Saud wissen, was er von der Auswanderung der europäischen Juden, die den Holocaust überlebt hatten, nach Palästina halte. Nichts, entgegnete der König, dessen vergoldeter Thron ebenso mit großen Mühen an Bord gehievt worden war wie eine Schafherde: „Die Araber werden eher sterben, als ihr Land den Juden zu geben.“

Allerdings erhielt der todkranke Roosevelt eine wesentliche sicherheitspolitische Zusage. Die Amerikaner würden das Königreich aufrüsten und seine Armee aufbauen. Im Gegenzug würde Riad die seit der Entdeckung großer Ölvorkommen im Jahr 1938 bestehenden Lizenzen für Standard Oil garantieren und ausweiten.

Weckruf 9/11, Zankapfel Iran

Öl für Sicherheit: An dieser Vereinbarung hat sich seither im Grunde kaum etwas geändert. Sie liegt allerdings auch an der Wurzel des Aufstiegs islamistischer Terrororganisationen, die seit Jahren von saudischen Gönnern finanziert werden. Die Stationierung von US-Truppen während des ersten Golfkriegs gegen Saddam Hussein erzürnte das vom puritanischen Wahabismus geprägte Establishment. Lange tolerierten die Saudis, dass Öldollars aus ihrem Land in die Terrorlager von al-Qaida flossen. Die Anschläge vom 11. September 2001 machten dieser Nonchalance ein Ende. 15 der 19 Attentäter waren Saudis, das Königshaus ihr erklärtes nächstes Ziel. In den Jahren danach löschten saudische Sicherheitskräfte so gut wie alle einheimischen al-Qaida-Zellen aus.

Der Arabische Frühling beanspruchte die Achse Washington-Riad ab 2011 erneut enorm. Abdullah war sehr verärgert darüber, dass Obama sich nicht hinter Machthaber wie Ägyptens Präsident Mubarak stellte. Und noch verärgerter war der König darüber, dass der US-Präsident seine Angriffsdrohung gegen Syriens Diktator Bashar al-Assad nicht wahr machte. Machtlos musste Obama zusehen, wie die Saudis Truppen nach Bahrain schickten, um Aufstände niederzuschlagen.

Ebenfalls wenig Freude haben sie mit Obamas Bemühungen, mit dem Iran ein Abkommen über dessen Atomwaffenprogramm zu schließen. „Schlagt der Schlange den Kopf ab!“, forderte er Washington zu einem Angriff auf Teheran auf. Das Chaos im Nahen Osten schafft keine „echte und warme Freundschaft“. Es ist aber der realpolitische Kitt, der diese Beziehung zusammenhält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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