Salmans schwere Mission: Frustrierte Jugend und Chaos in der Region

Saudi King Salman
Saudi King Salman (c) REUTERS
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Der neue König steht vor enormen sozialen, wirtschaftlichen und außenpolitischen Herausforderungen.

Kairo. Die saudische Nachfolge ist zunächst geklärt, trotzdem sieht das ölreiche Königreich einer ungewissen Zukunft entgegen. Viele Widersprüche des Landes, das seinen Weg zwischen erzkonservativem Establishment und der Moderne sucht, werden sich in Zukunft noch weiter verschärfen.

Schon die sozialen Herausforderungen sind enorm. Zwei Drittel der 28 Millionen Einwohner sind jünger als 30 Jahre, die meisten davon sind unzureichend ausgebildet und drängen auf den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit liegt heute schon zwischen zehn und 15Prozent, doch der Privatsektor stagniert und hängt von der Ausbeutung eingewanderter, rechtloser, billiger Arbeitskräfte ab.

Hinzu kommt, dass die goldenen Zeiten des Öls vorüber sind. Der Ölpreis ist zuletzt stark gesunken und hat ein 40-Milliarden-Loch in den Haushalt gerissen – während das Königshaus bisher kaum Anstrengungen unternommen hat, die Staatsausgaben unter Kontrolle zu bringen. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds könnte Saudiarabien dieses Jahr zum ersten Mal ein Haushaltsdefizit bevorstehen, drei Jahre früher als ursprünglich prognostiziert.

Bürger zweiter Klasse

Die Frauen und auch die schiitische Minderheit werden in Saudiarabien als Bürger zweiter Klasse behandelt – sie werden vom Königshaus als eine Art fünfte Kolonne des Iran angesehen. Besonders delikat: Im Osten des Landes, wo praktisch die gesamten Ölvorkommen liegen, bilden die Schiiten die Mehrheit – sie werden zunehmend unruhig.

Regional muss der neue saudische Monarch um die Führungsrolle bangen. Im Norden erstarken die Jihadisten des Islamischen Staates (IS). Sie sind zwar einst auch von den Saudis unterstützt und mit ihrer Hilfe groß geworden. Riad hatte gehofft, dass sie eine sunnitische Alternative zum syrischen Präsidenten Bashar al-Assad darstellen könnten, vom Königreich kontrolliert. Aber inzwischen haben die Saudis die Kontrolle verloren, und der Islamische Staat ist inzwischen auch für das Herrscherhaus zu einer Bedrohung geworden.

Im Süden destabilisieren Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Huthi-Rebellen und der jemenitischen Regierung die Arabische Halbinsel. Nach saudischer Lesart wird ihr sunnitischer Wüstenstaat von iranischen Einflusszonen eingekreist: von einer irakischen Regierung, die im iranischen Einflussbereich liegt, von einem Regime in Syrien, das den wichtigsten Bündnispartner für Teheran in der Region darstellt – und nun eben auch von den Huthi-Rebellen, die die sunnitische Macht im Jemen herausfordern.

Während Teheran seine Einflusssphären rund um Saudiarabien ausweitet, wird der Erzrivale Iran als Kampfgenosse gegen den Islamischen Staat auch international immer mehr salonfähig. Washington sucht nach einem Kompromiss im Nuklearstreit, um Teheran als Partner im Antiterrorkampf zu gewinnen. Und so fürchtet der Herrscherclan des Königreichs um sein Monopol als die einzige vom Westen hofierte Regionalmacht am Golf.

Nun ist in der arabischen Welt zunächst einmal Trauer angesagt. Alle arabischen Staatschefs werden Abdallah ihre letzte Aufwartung machen. Dann muss sich der 79-jährige Salman diesen Herausforderungen stellen. Ob er sie bewältigt, daran zweifeln Beobachter. Schon jetzt ist klar, dass seine Amtsübernahme keine Übergabe an die nächste Generation darstellt. Er ist ein Übergangskönig – und kein Hoffnungsträger, der Reformen durchsetzen wird.

Gerade für die jungen Aktivisten, die in den letzten Jahren für einen Wandel kämpften, war Abdullah der Inbegriff der Restauration. Vom neuen König erwarten sie wenig. „Auch der nächste saudische König wird sich amerikanischen Werten verschreiben, mit Ausnahme von grundsätzlichen Freiheiten und Menschenrechten“, heißt es in einem Tweet.

Noch prägnanter fasste es die arabische Journalistin Maryam Jamshidi zusammen: „Wenn es auf dieser Welt Gerechtigkeit gibt, dann wird Abdullah in Saudiarabien wiedergeboren: als eine schiitische, weibliche Gastarbeiterin.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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