Füllfedern: Ein Trauma der Schulzeit wird Statussymbol

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Kugelschreiber sind Füllfedern technisch klar überlegen. Aber wer etwas auf sich hält, greift zuweilen doch zur Feder.

In den 1960er-Jahren sah es gar nicht gut aus für den Füllfederhalter. Die neue Technologie der Kugelschreiber war so weit ausgereift, dass es keinen vernünftigen Grund mehr gab, sich noch länger mit diesem altmodischen Ding herumzuplagen. Es kleckste oder es kratzte. Seine Tinte hinterließ hässliche dunkle Flecken, auf dem Papier wie auf den Fingern, vor allem dann, wenn es galt, die Patronen zu wechseln, die man dazu eigens erwerben musste. Lauter Mängel, die kluge Ingenieure bei der Entwicklung der wunderbar praktischen Kugelschreiber geschickt vermieden. Nur Schüler wurden (und werden) noch gezwungen, mit Bergen von rosa Löschpapier und Tintenkillern bewaffnet ihr lückenhaftes Wissen per Füller schriftlich kundzutun. Manche träumen bis heute schlecht davon.

So waren sich Branchenexperten und wissenschaftliche Beobachter ähnlich einig wie wenig später bei mechanischen Uhren und Schallplatten: Das überholte Produkt stand am Ende seines Lebenszyklus und würde schon bald ganz vom Markt verschwinden, zur Strecke gebracht von einer überlegenen Technologie. Nicht anders war es ja Federkiel und Tintenfass ergangen, als Füllfeder und Patrone den Markt der Schreibgeräte eroberten.

Aber es kam anders. Um zu überleben, musste die Branche freilich erst in eine andere Richtung denken und dem traditionellen Gerät ein neues Image verpassen. Heute hat sich die unterschiedliche Positionierung längst in das kollektive Bewusstsein eingeschrieben: Wer ein Formular ausfüllt, macht das ganz selbstverständlich mit einem Kugelschreiber. Dennoch ist es schwer vorstellbar, dass ein Staatsoberhaupt oder ein Konzernchef einen wichtigen Vertrag mit etwas anderem unterzeichnet als mit einem edlen Füllfederhalter.

Rettender Luxus. Auf diese Weise haben sich die fetten Schreibzigarren von Montblanc aus Hamburg und die zarten Silberfüller des US-Herstellers Parker einen festen Platz unter den unverzichtbaren Luxusaccessoires der globalen Geld- und Machtelite verschafft. Auch die Italiener von Montegrappa sowie die deutschen Hersteller Faber-Castell, Pelikan und Lamy mischen im rettenden Hochpreissegment kräftig mit. Was die Reichen und Wichtigen besitzen, reizt auch Bürger der gehobenen Mittelschicht. Sie setzen den edlen Füller gern als Geschenk zu besonderen Anlässen ein, wie etwa zu einer Promotion oder einer Beförderung ins Management. Oder wenn dem Schenker sonst nichts einfällt, womit er den beglücken kann, der sich alles wirklich Brauchbare längst selbst gekauft hat.

Oft verstauben die feinen Schreibutensilien dann vergessen in Schubladen. Und doch ist es für viele Menschen ein schönes, nostalgisches Gefühl, sie einfach zu besitzen – und vielleicht ab und zu damit ein paar Zeilen an einen lieben Menschen zu schreiben. An diesem wachsenden Wunsch nach dem traditionsreichen, handwerklich vollendeten Gebrauchsgegenstand dürfte es liegen, dass die Umsätze für Füllfedern in den letzten Jahren wieder kräftig gestiegen sind.

Was freilich nicht damit zu hat, dass insgesamt mehr per Hand geschrieben würde. Das zeigt sich daran, dass die viel größeren Absätze bei den Kugelschreibern stabil bleiben. Es geht auch hier um mehr: Wie andere Retroprodukte setzen Füllfedern einen emotionalen und stilvollen Kontrapunkt – in einer von kalter Effizienz geprägten Welt, in der E-Mails und Handybotschaften oft jede persönliche Handschrift vermissen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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